Über Güntersleben

Alte Häuser – neue Häuser

Im Jahr 2013 feierte Güntersleben sein 900-jähriges Bestehen. Genauer gesagt markiert das Jahr 1113 nicht die Geburtsstunde des Dorfes, sondern das Jahr, aus dem der erste gesicherte Nachweis über seine Existenz stammt. Der Nachweis besteht darin, dass in einer Urkunde aus diesem Jahr der Ortsname in der damaligen Schreibweise „Gundresleibi“ erscheint. Andere Nachrichten über Güntersleben aus dieser oder früherer Zeit gibt es nicht oder wurden bisher noch nicht entdeckt.

Wir kennen zwar aus späteren Lagebeschreibungen den Standort der damals wohl schon vorhandenen Lorenzkapelle bei der heutigen Festhalle. Davon ausgehend darf man annehmen, dass dort um die Kirche auch die Bauern ihre Höfe hatten. Wie viele das aber außer der in der Urkunde genannten Hofstelle waren, wissen wir nicht. Von all dem wurden uns keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Der Blick auf das Dorf und in das Dorf von 1113 bleibt uns verschlossen.

Die ältesten erhaltenen Bauwerke

Am weitesten zurück an den Anfang der bekannten Geschichte von Güntersleben führt uns der Blick auf die Pfarrkirche. Allerdings nicht in der Ansicht, wie sie sich nach mehrfachen Anbauten und Erweiterungen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts heute dem Betrachter von weithin präsentiert. Man muss schon nahe hin, auf den Kirchplatz, um die beiden unteren Geschosse des Kirchturms zu sehen, die als ältestes erhaltenes Zeugnis der Baugeschichte von Güntersleben um 1150 entstanden sind.

In der Nachbarbarschaft der Kirche findet man dann auch die Bauwerke, die ihr – wenngleich mit beträchtlichem Abstand – nach ihrer Entstehungszeit am nächsten kommen: das Alte Rathaus, nach 1590 von der Gemeinde als Schulhaus gebaut. Das Pfarrhaus, 1688 vom Kloster St. Stephan für seine nach Güntersleben entsandten Pfarrherren gebaut. Gegenüber das 1731 gebaute erste Rathaus der Gemeinde, später viele Jahre im Besitz der Pfarrgemeinde und als Frühmessnerhaus bekannt, jüngst vom neuen Eigentümer denkmalgerecht restauriert. Wie das Kolpinghaus unmittelbar neben der Kirche, 1838 als Schule gebaut und damit etwas jüngeren Datums, hatten alle diese Bauwerke eine öffentliche Zweckbestimmung. Wenn sie länger als alle anderen Häuser in Güntersleben die Jahrhunderte überdauert haben, ist das kein Zufall. Waren doch die privaten Bauherren im Dorf, nach unseren heutigen Maßstäben durchwegs Kleinbauern, in fernerer Zeit kaum in der Lage, Gebäude zu erstellen, die eine vergleichbar lange Lebensdauer erwarten ließen.

Die Wohnhäuser der Dorfbewohner

Auch heute noch lässt sich unschwer an der engen und kleinteiligen Bebauung entlang der Gassen zur Kirche hinauf und an der Neubergstraße – ehemals der Kuhhaug – erkennen, dass diese Ortsbereiche früher als alle anderen bebaut wurden. An den teilweise recht steilen Hanglagen war das Bauen zwar schwieriger als in der Ebene, dafür war man aber sicher vor den Überschwemmungen des Dürrbachs und Hochwassereinbrüchen aus den Seitentälern bei Unwettern.

Wann die ältesten der heute 1280 Wohnhäuser in Güntersleben gebaut wurden, lässt sich mit genauen Jahresangaben nicht belegen. Nur so viel ist sicher: Sechs Häuser – sie stehen an der Schönbrunnenstraße, an der Gramschatzer Straße, in der Büttnergasse, in der Schustergasse, in der Zehntgasse und in der Engelsgasse – sind älter als 250 Jahre. Sie sind bereits im ersten erhaltenen Brandversicherungsregister von 1763 verzeichnet. Die anderen 162 Häuser, die dort aufgeführt sind, mussten in neuerer Zeit Neubauten weichen.

Zu den erwähnten sechs ältesten Wohnhäusern gehört auch das sehenswerte, weil in den letzten Jahren überaus gelungen restaurierte, Fachwerkhaus am Ende der Schönbrunnenstraße. Es ist nahezu das letzte der 50 Häuser, die um 1860 in Güntersleben noch ganz oder zu großen Teilen mit Holzfachwerk gebaut waren. Die meisten von ihnen stehen nicht mehr. Bei fast allen anderen verbirgt sich das ehemals sichtbare Fachwerk hinter einer später aufgebrachten Putzfassade.

Nach den sechs ältesten Häusern gibt es weitere 95, die deutlich älter sind als 100 Jahre. Sie wurden zwischen 1800 und 1914 gebaut, bevor der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jede weitere Bautätigkeit in Güntersleben für die Dauer der Kriegsjahre zum Erliegen brachte. Nach den älteren durchwegs eingeschossigen Häusern mit niedrigen Raumhöhen findet man darunter jetzt auch die ersten zweigeschossigen Häuser, die seit etwa 1850 von denen gebaut wurden, die es sich leisten konnten (und das auch zeigen wollten).

Bald nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kam in Güntersleben wieder eine rege Bautätigkeit in Gang, der auch die Inflation von 1923 keinen erkennbaren Abbruch tat. Von den Wohnhäusern, die zwischen 1921 und 1939 gebaut wurden, werden rund 70 heute noch genutzt, viele in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur modernisiert, sondern auch angebaut, aufgestockt oder in anderer Weise den heutigen Wohnbedürfnissen angepasst.

Wo danach neun von zehn Häusern erst nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, erinnert beim Gang durch die Straßen von Güntersleben nur noch wenig an das Dorf der Vergangenheit.

10/2023

Der Wald, ein Schatz für das Dorf und die Dorfbewohner

Große Gemarkung und viel Wald

Rund 1605 Hektar ist die Gemarkung von Güntersleben groß. Damit war Güntersleben bis zur Zusammenlegung vieler Gemeinden durch die Gebietsreform von 1978 nach ihrer Ausdehnung die drittgrößte unter den vordem 42 Gemeinden des Landkreises Würzburg. Nahezu ein Viertel der gesamten Gemeindefläche ist bewaldet. Mit 390 Hektar Waldfläche gehört Güntersleben damit früher wie heute zu den – abgesehen von Rimpar – waldreichsten Gemeinden im Umkreis. In der Vergangenheit als Wirtschaftsfaktor für das Dorf von überragender Bedeutung, steht heute sein Wert als Teil unserer natürlichen Lebensgrundlagen mit seinen vielfältigen Funktionen im Vordergrund.

Gemeindewald – Kirchenwald – Privatwälder

Die ersten Auskünfte über den Wald in Güntersleben gibt uns ein Salbuch des Amtes Arnstein von 1594. In solchen Salbüchern oder Urbaren erfassten die Schreiber der fürstbischöflichen Ämter die Besitzrechte und Abgabenpflichten in den ihnen unterstellten Amtsorten.

Bei der Aufstellung der Waldungen im Gemeindebesitz finden sich unter weitestgehend gleichen Namen alle Walddistrikte, die auch heute der Gemeinde gehören: Buchloh, Eichenloh, Mehlen, Heeßloch (Häslach), Stöckig, Rothenloch, Faß, Gräbenroth. Es werden auch jeweils die Flächen angegeben, allerdings mit dem Hinweis, es könne „mehr oder weniger sein, ist nicht gemessen, sondern auf unge­fährlich geschätzt worden“. Auch wenn eine genaue Umrechnung der damaligen Maßeinheiten schwierig ist, entsprechen die Größenangaben tendenziell den heutigen Verhältnissen. Mit den Baumarten hat sich der Schreiber von damals nicht befasst. Heute bestehen rund drei Viertel des Gemeindewaldes aus Laubholz, davon zur Hälfte Eichenbestände; bei den Nadelhölzern hat die Kiefer den größten Anteil.

Als weitere Waldbesitzerin wird 1594 die Pfarrei genannt. Deren Wald am Rennweg sei aber „vor 6 Jahren abgehauen worden“. Wie Ignatius Gropp 150 Jahre später in seinem Protokollum bestätigt, wurde ein solcher Kahlschlag immer wieder vorgenommen, „wann das Holtz zum Abhauen genug gewachsen“ und als Brennholz „feil gebotten und verkauft“. Damit beschreibt er die sogenannte Mittelwaldbewirtschaftung, wie sie früher in einem Großteil der Günterslebener Wälder üblich war. Bei Gropp findet man für die „40 Morgen Busch-Gehöltz“ auch zum ersten Mal die Bezeichnung „das Heilige Holtz“ für den Kirchenwald, im heutigen Sprachgebrauch das Heiligenhölzlein. Es wurde 2016 mit dem Bayerischen Staatspreis für vorbildliche Waldpflege ausgezeichnet.

Den Waldbesitz der „Nachbarn“, also die privaten Waldparzellen der Ortsbewohner, führt der Amtsschreiber nicht im Einzelnen auf. Er rechtfertigt das mit den ständigen Veränderungen, denn die Besitzer „reuten täglich solches aus“, wohingegen auf anderen „bösen“ Äckern, die wüst liegen, wieder Holz wächst, das aber auch „nicht beständig verbleibt“, also auch als Brennholz genutzt wurde, sobald es hiebsreif war.

Diese Besitzverteilung ist bis heute im Wesentlichen gleichgeblieben. 268 Hektar sind Gemeindewald, 10 Hektar Kirchenwald und 112 Hektar gehören privaten Eigentümern. Letztere sind in über 500 überwiegend kleine und zum Teil kleinste Parzellen mit weniger als 100 qm zersplittert, hervorgerufen durch immer weitere Teilungen im Wege der Erbfolge. Denn auf ein „Hölzle“, wie man diese Kleinparzellen hier nennt, legten die Nachkommen, auch wenn sie den elterlichen Hof nicht übernehmen konnten, bis in die jüngste Vergangenheit in aller Regel größten Wert.

Bauholz und Brennholz

Bei der Beschreibung der Gemeindewälder von 1594  wird unterschieden zwischen dem Bauholz im Buchloh, im Eichenloh und in der Mehlen, also Beständen, die unserem heutigen Hochwald ähneln, und dem Brennholz, das in den viermal so großen anderen Walddistrikten wuchs.

Während man dem Bauholz 80, 100 und mehr Jahre Zeit ließ, damit mächtige Stämme heranwachsen konnten, wurden Teile der Brennholzbestände im turnusgemäßen Wechsel etwa alle 25 Jahre, wie beim Heiligenhölzlein beschrieben, komplett abgeholzt, um Heizmaterial für die Wohnungen zu haben. Wenn nach einem Vierteljahrhundert aus den Stockausschlägen der Baumstümpfe wieder Bäume nachgewachsen waren, wiederholte sich der Vorgang.

Bürgerrecht und Holzrechte

Die überragende Bedeutung des Gemeindewaldes und seiner Nutzungen für die Dorfbewohner zeigte sich in der Verknüpfung mit dem Bürgerrecht. Wer Gemeindebürger war – früher nur Männer mit Familie, eigenem Hof oder einem selbständigen Gewerbe – hatte herkömmlich Anspruch auf Holzzuweisungen aus dem Gemeindewald.

Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnten sich die Gemeindebürger alljährlich im Winter oder zeitigen Frühjahr in dem Waldstück, das zur Abholzung bestimmt war, mit Brennholz versorgen. Jeder bekam dabei einen genau abgegrenzten Bereich, eine sogenannte Lach oder Lage, zugewiesen. Die Holzmenge sollte für alle möglichst gleich sein und damit sich niemand benachteiligt fühlen musste, wurden die einzelnen Lachen unter den Gemeindebürgern verlost. Der von daher rührende Begriff Holzlos für die Zuweisung eines Kontingents zur eigenen Aufarbeitung hat sich bis heute erhalten, auch wenn schon lange nicht mehr mit dem Los entschieden wird.

Wer ein Haus, eine Scheune oder einen Stall baute, dem stand je nach Größe des Bauwerks eine Anzahl von Eichenstämmen für den Dachstuhl zu. Mit der Zunahme der Bautätigkeit war die Gemeinde jedoch immer weniger in der Lage, die benötigten Stämme bereitzustellen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es daher notgedrungen zu immer weiteren Einschränkungen, bevor dieses althergebrachte Recht auf Weisung der Staatsaufsicht schließlich ganz beseitigt wurde.

Besoldungsholz

Amtsträger und Bedienstete der Gemeinde – Pfarrer, Lehrer, Schultheiß, Gemeindediener u.a. – wurden für ihre Dienste außer mit Geld und anderen Naturalien in Güntersleben früher auch mit Brennholz entlohnt, das in jedem Einzelfall nach Art und Menge genau bestimmt war. Damit war beiden Seiten gedient. Brennholz brauchte jeder, der einen Hausstand hatte, und auch der Gemeinde dürfte es leichter gefallen sein, ihren Verpflichtungen mit den reichlich vorhandenen Vorräten aus ihrem Wald als aus ihrer oft klammen Gemeindekasse nachzukommen. Besoldungsholz wurde in vielen Fällen noch bis in die 1930er Jahre in natura bereitgestellt oder geliefert. Gegenüber der Pfarreistiftung bestanden solche noch bis vor wenigen Jahren, wurden seit längerem aber schon in Geld umgerechnet, bevor sie schließlich einvernehmlich abgelöst wurden.

Stütze des Gemeindehaushalts

Mindestens ebenso wichtig wie für die Familien im Dorf waren die Nutzungen aus dem Gemeindewald für die Wirtschaftsführung der Gemeinde. Die seit 1718 erhaltenen Gemeinderechnungen weisen aus, dass die Erlöse aus dem Holz­­verkauf bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs in den meisten Jahren den mit Abstand größ­ten Ein­nah­meposten der Gemeindekasse bildeten. In manchen Jahren wurde über die Hälfte des Ge­mein­dehaushalts mit den Erträgen des Waldes bestritten. Alle größeren Vorhaben frühe­rer Zeit wurden in Güntersleben vorrangig mit Holzverkäufen finanziert. Das war so, als 1838 das Schulhaus an der Kirche – das heutige Kolpinghaus – gebaut wurde. Nur auf diese Weise konnten 1908 die zentrale Wasserversorgung und 1922 die Elektrifizierung der Gemeinde bezahlt wer­den. Auch die Folgen der Inflation des Jahres 1923 konnte Güntersleben mit seinem Wald bes­ser verkraf­ten als an­dere Gemeinden. Von den 44.359 Mark Gemeindeeinnahmen des Jahres 1924 stammten 23.745 Mark aus Holzverkäufen.

Seit etwa 1930 ging die wirtschaftliche Bedeutung des Gemeindewaldes beständig zurück. Doch wären auch noch der Schulbau von 1950/51 und der Kindergartenbau von 1954 ohne den Holzeinschlag, damals vornehmlich im Stöckig, jedenfalls um diese Zeit kaum möglich ge­wesen. Damals konnten aus dem Gemeindewald noch ansehnliche Überschüsse erwirtschaftet werden. Heute liegen die Kosten für die Waldpflege und die Holzgewinnung höher als der Er­lös, der aus dem Holzverkauf zu erzielen ist. Zum jährlichen Haushaltsvolumen von mehreren Millionen Euro trägt der Gemeindewald allenfalls noch 100.000 Euro bei.

Arbeitsplatz Wald

Zur wirtschaftlichen Seite gehören auch die Beschäftigungsmöglichkeiten, die der Gemeinde­wald den Dorfbewohnern in der Vergangenheit bot. Den Holzeinschlag nutzen die Bauern nach dem Abschluss ihrer herbstlichen Feldarbeit ebenso als Zuerwerb wie die im Winter meist aus­gestellten Bauarbeiter. Vor allem in den Jahren der hohen Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg und um 1930 waren vie­le dringend darauf angewiesen, zumindest vorübergehend im Wald etwas zu verdienen. Die Ge­meinde beschäftigte damals oft mehrere Dutzend Holzmacher gleichzeitig. Zuletzt wurde 1934 im Rahmen einer Notstandsmaßnahme sogar ein größeres Waldstück am Zwerlach ausschließlich zur Arbeitsbeschaffung gerodet.

Vom Mittelwald zum Hochwald

Dass es im 19. Jahrhundert immer schwieriger wurde, das herkömmliche Recht der Bürger auf Bauholzzuweisungen zu befriedigen, hatte zum einen mit der verstärkten Bautätigkeit, zum anderen aber auch mit der bis dahin üblichen Form der Waldbewirtschaftung zu tun.

Verständlicherweise ging es vorrangig darum, dass regelmäßig genügend Brennholz bereitgestellt werden konnte. Wenn dafür reihum alle 25 Jahre ein größeres Waldstück abgeholzt wurde, dann wuchsen aus den Wurzelstöcken zwar wieder neue Bäume nach. Je mehr solcher Umtriebe aber stattgefunden hatten, desto schwächer wurden die Wurzelausschläge und immer weniger von diesen hatten die Kraft, sich zu größeren, zur Gewinnung von Bauholz brauchbaren, Bäumen zu entwickeln. Auch die Masse an nachwachsendem Brennholz wurde im Laufe der Zeit weniger. Das Staatliche Forst­amt Rimpar, dem die Gemeinde mit ihrem Wald wohl seit 1720 unterstand, bezeichnete dem­ge­mäß in einem Bericht von 1890 den Wald in Günters­leben als „bedeutend herabgekommen“.

Um bessere und mengenmäßig größere Erträge zu erhalten, ging man daher seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dazu über, die seitherigen Mittelwaldbestände in Hochwald umzuwandeln, bei denen die neuen Bäume nicht aus den alten Wurzelstöcken kamen, sondern der Nachwuchs aus Sämlingen herangezogen wurde. Daraus wuchsen dann die kräftigen Bäume heran, wie wir sie aus unseren heutigen Wäldern kennen. Die Umstellung war jedoch ein langwieriger Prozess, der viel Geduld erforderte, die nicht immer vorhanden war. So zog sich auch in Güntersleben der Umbau vom Mittelwald zum Hochwald lange hin. Erst 1938 wurde der Mittelwaldbetrieb hier endgültig aufgegeben.

Die Förster und die Forstdienststelle in Güntersleben

Dass diese Veränderungen im Sinne einer nachhaltigeren Waldbewirtschaftung überhaupt in Gang kamen und dann auch durchgesetzt wurden, ist auf das Einwirken der staatlichen Forstaufsicht zurückzuführen. Wie über fast alles wachte der Staat auch schon in der fürstbischöflichen Zeit darüber, wie die Gemeinden mit ihrem Wald umgingen. So findet man in den Kirchenbüchern bereits nach 1600 immer wieder Personen mit der Berufsbezeichnung Förster, die am Ort wohnten. Durch die Beifügung sonst nicht gebräuchlicher Ehrenbezeichnungen (z.B. spectabilis dominus = wohlgeborener Herr) wird erkennbar, dass es sich offenbar um Beamte der fürstbischöflichen Verwaltung handelte. In welcher Weise und inwieweit diese in der Lage waren, auf die Bewirtschaftung des Waldes durch die Gemeinde einzuwirken, lässt sich nicht feststellen.

Um 1840 wurde für den Königlichen Forstwart, wie er sich jetzt nannte, mit dem Bau des Forsthauses beim heutigen Rathaus in der Würzburger Straße ein fester Dienstsitz eingerichtet. Zu dieser Zeit wurde auch der erste Forstwirtschaftsplan aufgestellt, wie er seither von der Forstbehörde alle 10, 15 oder 20 Jahre erneuert wird. Neben einem Rechenschaftsbericht über die zurückliegende Periode enthält er eine aktuelle Zustandsbeschreibung des Gemeindewaldes und Vorgaben für die bevorstehenden Jahre. Die Gemeinde muss sich also bei der Bewirtschaftung ihres Waldes an die vorgegebenen Rahmenbedingungen der staatlichen Fachbehörde halten.

1962 baute der Staat ein neues Forstdienstgebäude an der Tannenstraße und verkaufte das alte Gebäude an die Gemeinde, die es 1976 beseitigte, um den Platz für den Rathausneubau zu nutzen. Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts endete dann auch die Zeit der Forstdienststelle Güntersleben. Seit der Forstreform in Bayern ist für die fachliche Betreuung die Forstdienststelle Waldbüttelbrunn zuständig. Der frühere Vorteil der räumlichen Nähe ist dadurch allerdings verloren gegangen. Und wo früher Saisonarbeiter die Fällarbeiten und sogenannte Kulturfrauen die Pflanz- und Pflegearbeiten im Gemeindewald vornahmen, erledigt das heute unter Maschineneinsatz ein gemeinsamer Arbeitstrupp der Gemeinden Güntersleben und Veitshöchheim für beide Gemeindewälder.

Rätselhaftes Lutziholz

Nicht nur in der Märchenwelt begegnet uns das Bild vom geheimnisvollen Wald. In Güntersleben gab es das Lutziholz, ein Waldstück aus vielen kleinen Parzellen und insgesamt etwa 2,5 Hektar groß, das heute zum Walddistrikt Faß gehört. Schon der eigentümliche Name gibt Rätsel auf. Obwohl räumlich weit davon entfernt, fällt die Ähnlichkeit mit der früheren Bezeichnung des Gartengebiets am Heimgartenweg auf, das „am Lutzi“ genannt wurde. Das wiederum liegt nahe beim Laurenzibrunnen im heutigen Dürrbachpark, der seinen Namen nach der Laurentius- oder Lorenzkapelle hat, die seit mindestens 1100 und – zuletzt als Ruine – bis 1685 dort stand. Lutzi ist also mutmaßlich eine Ableitung von Laurentius.

Das Lutziholz war eine Waldkörperschaft, in älteren Schriftstücken auch Güterwald genannt. Mitglieder der Körperschaft und damit Anteilseigner an dem Waldgrundstück waren die Besitzer der Hofstellen in Güntersleben zu der Zeit, als die Körperschaft gebildet wurde. Wann das war, lässt sich nicht mehr feststellen. Wenn man aber annimmt, dass der Name des Gemeinschaftsgrundstücks von Laurentius abgeleitet wurde, muss das zu einer Zeit gewesen sein, als Laurentius als Kirchenpatron noch präsent war, mithin vor vielen Jahrhunderten. Wie bei derartigen Güterwäldern üblich, war der Besitzanteil an den Hof gebunden und ging bei der Übergabe auf den Hoferben über. Durch Teilungen und Zusammenlegungen konnten sich die anfangs wohl gleichen Anteile vergrößern oder verkleinern. Wenn Holz verkauft wurde, wurde der Erlös nach den Anteilen verteilt, ebenso verfuhr mit den Aufwendungen. Um 1900 zählte die Körperschaft nahezu 100 Mitglieder, manche davon nur mit 40 oder 50, einzelne auch mit über 1000 Quadratmetern beteiligt.

1907 verkauften die Anteilseigner ihre Rechte an die Gemeinde, der auch einige mittlerweile herrenlos gewordene Anteile zugeschlagen wurden. Seitdem ist das frühere Lutziholz Teil des Gemeindewaldes im Faß.

Bedeutungswandel des Gemeindewaldes

Unter rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung ist der Wald schon längst keine sprudelnde Einnahmequelle mehr für den Gemeindehaushalt. Dagegen steht aber das in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsene Bewusstsein über die Bedeutung des Waldes für den Klimahaushalt und als Erholungsraum für die Menschen. Die Investitionen der Gemeinde in die laufende Pflege ihres Waldes sind daher allemal lohnend, befindet dieser sich dadurch heute doch auch auf einem Stand, dass ihn kein Kundiger mehr als „herabgekommen“ bezeichnen würde.

08/2023

 

Der lange Weg zu einem Gemeindewappen

Gut Ding will Weile haben. Wer könnte eingedenk dieser Volksweisheit bezweifeln, dass das Wappen der Gemeinde Güntersleben ein „gut Ding“ geworden ist? Brauchte der Gemeinderat doch über 30 Jahre, bis er sich nach wiederholten Anläufen für einen Vorschlag entscheiden konnte. Erst 1987 hat Güntersleben daher als eine der letzten Gemeinden im Landkreis Würzburg ein eigenes Wappen bekommen.

Das Recht, ein eigenes Wappen zu führen, wurde im Königreich Bayern, dem Güntersleben seit 1814 zugehörte, nur Städten und Märkten verliehen. Erst 1928 wurden auch die Landgemeinden als wappenfähig angesehen. Mit der Gemeindeordnung von 1952 erhielten die Gemeinden die Befugnis, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ein Wappen wollen und wie dieses gestaltet sein soll. Sie müssen sich dabei lediglich von den staatlichen Fachbehörden beraten lassen.

Bald nach dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung forderte das Landratsamt Würzburg seine Gemeinden auf, sich mit der Frage zu befassen, ob sie sich ein Wappen zulegen wollen oder weiterhin das Staatswappen in ihren Dienstsiegeln führen wollen. Der Gemeinderat von Güntersleben war wohl der Ansicht, dass es zu dieser Zeit dringlichere Angelegenheiten gebe. So heißt es dann auch im Sitzungsprotokoll vom 5. Oktober 1955 ganz lapidar: Die Anschaffung eines Gemeindewappens und einer Amtskette für den Bürgermeister wurde ohne Diskussion einstimmig abgelehnt.

Als der Landrat ein paar Jahre später das Thema erneut zur Sprache brachte, beschloss der Günterslebener Gemeinderat am 17. Januar 1957, dass der Bürgermeister erst einmal Erkundungen über die hierbei anfallenden Kosten einholen solle. Dann schien alles ganz schnell zu gehen, denn schon im Protokoll der nächsten Sitzung ist zu lesen: Die Beschaffung eines gemeindlichen Wappens wurde beschlossen. Das Staatsarchiv Würzburg soll die geschichtlichen Grundlagen für das Wappen skizzieren und vorschlagen.

Vom Staatsarchiv kam dann auch ein Vorschlag, der den Gemeinderat aber nicht so recht überzeugte, wie das Sitzungsprotokoll vom 11. Mai 1957 zum Ausdruck bringt: Die Skizze entsprach nicht den Erwartungen und es sollen Verbesserungen daran vorgenommen werden.

Dazu kam es jedoch nicht, vielmehr ließ man jetzt von dem örtlichen Grafiker Karl Weißenberger einen Entwurf fertigen. Der fand zwar Gefallen bei den Gemeinderäten, wurde aber vom Landratsamt abgelehnt. Das empfahl, den Entwurf des Staatsarchivs zu übernehmen. Dazu heißt es dann im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 2. November 1957: Da der Gemeinderat diesem Vorschlag nicht zustimmen konnte, wurde beschlossen, vorerst nochmals die Anschaffung eines Gemeindewappens zurückzustellen.

Für den Gemeinderat in seiner damaligen Besetzung war das Thema damit erledigt. Erst der 1960 neu gewählte Gemeinderat nahm sich der Sache dann wieder an, aber nur, um am 13. Dezember 1963 zu beschließen: Dieser Punkt wird neuerdings zurückgestellt, da eine Anzahl von Gemeinderäten dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen kann und im Gemeindewappen eine andere Darstellung wünscht. Es handelte sich dabei offenbar um den unveränderten Entwurf des Staatsarchivs von 1957.

Nahezu ein Vierteljahrhundert verging, fast alle Gemeinden im Umkreis hatten inzwischen ein eigenes Wappen, bis dann die Feuerwehr dem Gemeinderat Druck machte. Sie wollte zu ihrem bevorstehenden 100-jährigen Gründungsfest im Sommer 1988 endlich auch – wie die Nachbarfeuerwehren – ein Gemeindewappen auf ihren Uniformen haben. Zum Glück meldete sie sich mit ihrem Anliegen schon zwei Jahre vor dem Jubiläum. Denn auch dieses Mal tat sich der Gemeinderat mit einer Entscheidung schwer. Mehr als ein Dutzend Entwürfe musste der Grafiker Ossi Krapf aus Rottendorf vorlegen und länger als ein halbes Jahr zogen sich die Diskussionen im Gemeinderat hin, ohne dass man sich letztendlich auf einen Entwurf einigen konnte. Die Entscheidung fiel am 12. Mai 1987. Mit acht gegen sieben Stimmen wählte der Gemeinderat unter den beiden zuletzt favorisierten Entwürfen das Wappen, das seither die Gemeinde führt. Wie damals so oft, wurde auch bei dieser Entscheidung strikt nach der Parteizugehörigkeit abgestimmt.

Die amtliche Beschreibung des Gemeindewappens lautet: Unter rotem Schildhaupt, darin drei silberne Spitzen, in Blau zwei schräg gekreuzte goldene Abts- bzw. Bischofsstäbe, unterlegt von einer silbernen Kette; im oberen Winkel ein silbernes Ahornblatt, im unteren eine goldene Weintraube.

Die so beschriebenen einzelnen Elemente des Wappens stehen symbolisch für die geschichtliche Entwicklung und örtliche Besonderheiten Günterslebens. Die silbernen Spitzen, bekannt auch als fränkischer Rechen, sind dem Wappen des Fürstbistums Würzburg entnommen, das bis zur Säkularisation 1803 die staatlichen Herrschaftsbefugnisse über Güntersleben wahrnahm. Die beiden gekreuzten Bischofs- bzw. Abtsstäbe stehen für den Kirchenpatron Maternus und das Kloster St. Stephan, das Güntersleben bis zum erwähnten Jahr seelsorglich betreute. Die Kette nimmt die Legende auf, wonach ein auf die Anrufung des hl. Maternus freigelassener Gefangener in den Türkenkriegen die Ketten, mit denen er gefesselt war, nach Güntersleben gebracht haben soll. Das Ahornblatt und die Weintraube stehen für den Waldreichtum und den seit jeher betriebenen Weinbau in Güntersleben.

Seit dem Jubiläumsjahr 2013 hat Güntersleben – auch hier dem Beispiel anderer Gemeinden folgend – zusätzlich ein mit modernen Stilelementen gestaltetes Logo, das häufig anstelle des Wappens Verwendung findet und dieses damit etwas in den Hintergrund gedrängt hat. Traditionsbewusste Heraldiker sind über diese verbreitete Entwicklung nicht unbedingt glücklich, aber dem Trend der Zeit kann sich kaum jemand widersetzen.

Was eine Amtskette angeht, so hat der ablehnende Beschluss des Gemeinderats von 1955 nach wie vor Bestand. Es ist auch nicht bekannt, dass jemals ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin von Güntersleben Wert darauf gelegt hätte, sich mit einem solchen doch etwas aus der Zeit gefallenen Schmuckstück zu dekorieren.

05/2023

 

 

Gemeinderatswahlen in Güntersleben seit 1946

 

Der Gemeinderat während der Nazi-Herrschaft

Der Günterslebener Gemeinderat hatte gerade drei seiner fünf Jahre dauernden Wahlperiode hinter sich, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 in Deutschland an die Macht kamen. Bei der vorerst letzten demokratischen Wahl im Dezember 1929 hatten die SPD drei und die konservative Bayerische Volkspartei (BVP) sieben Mandate errungen. Komplettiert wurde das 12-köpfige Gremium durch den Bürgermeister (SPD) und den Zweiten Bürgermeister (BVB). In der seit der Wahl unveränderten Besetzung tagte der Gemeinderat zum letzten Mal am 25. März 1933.

My Beautiful Picture

Gemeinderat 1930

Nachdem es danach schon mehrere Veränderungen gegeben hatte, ordnete das Bezirksamt am 14. Juli 1933 „im Benehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP“ eine teilweise Neubesetzung des Gemeinderats an mit dem Ergebnis, dass jetzt sämtliche Mitglieder Parteigenossen (Pg) waren. Ausgeschieden waren die drei SPD-Mitglieder und ebenfalls drei BVP-Mitglieder, die nicht bereit waren, der NSDAP beizutreten.

Der Gemeinderat war nur noch Vollzugsorgan der Parteivorgaben. Schließlich bekam er jegliche Entscheidungsbefugnisse genommen. „Nach Beratung mit den Gemeinderäten beschließt der Bürgermeister“, lautete seit November 1935 die Einleitungsformel, mit der die Beschlüsse protokolliert wurden. Mit dem fortschreitenden Krieg trat der Gemeinderat kaum noch zusammen. Als der Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende war, gab es faktisch auch keinen Gemeinderat mehr in Güntersleben.

 

Neubeginn und erste Gemeindewahl nach dem Krieg

Seit September 1945 hatte Güntersleben wieder einen Gemeinderat. Die acht, später neun Mitglieder verdankten wie der Bürgermeister ihr Mandat aber nicht einer Wahl, sondern waren vom Landrat ernannt worden.

Am 26. Januar 1946 fanden zum ersten Mal wieder Gemeindewahlen nach demokratischen Grundsätzen statt. Auf dem Stimmzettel standen zwei Wahlvorschläge, ein gemeinsamer von SPD und KPD mit 10 Kandidaten und an zweiter Stelle der Vorschlag der CSU mit 14 Bewerber. Wählen konnte man nur zwischen den beiden Listen, eine Stimmabgabe für einzelne Bewerber war nicht möglich. Die Sitzverteilung erfolgte nach der Reihenfolge auf den Listen. Die Stimmenauszählung ergab 7 Sitze für die CSU und 3 für den Wahlvorschlag der SPD/KPD, wobei entsprechend den Listenplätzen zwei KPD-Mitglieder und nur ein SPD-Mann in den Gemeinderat einzogen.

  • Gemeinderatswahl 1946
      • CSU             68,0 %  =  7 Sitze
      • SPD/KPD    32,0 %  =  3 Sitze

 

Frauen kandidieren – werden aber nicht gewählt

Zur nächsten Gemeinderatswahl 1948 traten die drei Parteien getrennt mit eigenen Wahlvorschlägen an. Um die zehn Sitze im Gemeinderat bewarben sich 31 Männer und erstmals auch zwei Frauen, eine bei der SPD und eine bei der KPD. Beide schafften es aber nicht in den Gemeinderat. Es sollte 24 Jahre dauern, bis wieder eine Frau den Mut hatte, zu kandidieren, und nochmals weitere sechs Jahre, ehe 1978 die ersten zwei Frauen am Ratstisch Platz fanden.

  • Gemeinderatswahl 1948
    • CSU              41,8 %      =  4 Sitze
    • SPD              32,8 %      =  3 Sitze
    • KPD              25,4 %      =  3 Sitze

 

Seit der Wahl 1948 kann man nicht mehr nur eine Liste wählen, sondern sich die einzelnen Personen aussuchen, denen man seine Stimme gibt.

 

Aus Kommunisten werden Parteilose

Im November 1951 beantragte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der KPD. Obwohl das Urteil erst Jahre später kam, lösten die Kommunisten in Güntersleben vorausschauend ihren Ortsverband auf. Ihre Anhänger traten jetzt als Parteilose Wählergemeinschaft zu den Gemeindewahlen an, konnten aber nicht an ihre bisherigen Erfolge anknüpfen.

  • Gemeinderatswahl 1952
    • CSU                     48,5 %     =   5 Sitze
    • SPD                     32,5 %     =   3 Sitze
    • Parteilose WG     19,3 %     =   2 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 1956
    • CSU                     49,0 %     =  5 Sitze
    • SPD                     41,1 %     =  4 Sitze
    • Parteilose WG     9,9 %     =  1 Sitz

 

  • Gemeinderatswahl 1960
    • SPD                     49,5 %      =  5 Sitze
    • CSU                     40,9 %      =  4 Sitze
    • Parteilose WG     9,6 %      =  1 Sitz

 

Auch wenn die SPD jetzt stärkste Partei war, blieb die CSU zusammen mit dem Bürgermeister aus ihren Reihen die bestimmende Kraft im Gemeinderat.

  

Die Mehrheit wechselt

Nachdem die Parteilose Wählergemeinschaft nicht mehr genügend Bewerber für eine erfolgversprechende eigene Liste fand, traten ihre verbliebenen Anhänger, die sich inzwischen nicht mehr in der Nachfolge der früheren KPD sahen, als Freie Wählergemeinschaft (FWG) auf einer gemeinsamen Liste mit der CSU an. Das blieb aber ebenso eine kurzlebige Episode wie der Auftritt einer Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) bei der folgenden Wahl.

Die SPD, aus deren Reihen jetzt auch der 1. Bürgermeister kam, wurde für die nächsten 24 Jahre zur dominierenden Kraft im Gemeinderat.

  • Gemeinderatswahl 1966
    • SPD                63,0 %    = 6 Sitze
    • CSU/FWG      37,0 %    = 4 Sitze

 

Infolge der gestiegenen Einwohnerzahl erhöhte sich die Mandatszahl im Gemeinderat auf 14 Sitze.

  • Gemeinderatswahl 1972
    • SPD                58,5 %      = 8 Sitze
    • CSU                33,1 %      = 5 Sitze
    • UWG                8,4 %      = 1 Sitz

 

  • Gemeinderatswahl 1978
    • SPD                50,9 %      = 7 Sitze
    • CSU                49,1 %      = 7 Sitze

 

Nach einem erneuten Einwohnerzuwachs waren jetzt 16 Mandate zu vergeben.

  • Gemeinderatswahl 1984
    • SPD                56,5 %      = 9 Sitze
    • CSU                43,5 %      = 7 Sitze

 

Eine neue Wählergruppe mit erfolgreichem Start

1990 endete die Zeit im Gemeinderat, in der sich zwei politische Lager, nach der gängigen Farbenlehre schwarz und rot, gegenübersaßen, viele Jahre erst die einen und dann die anderen alleine über die Mehrheit der Stimmen verfügend, und damit eher auf Konfrontation als auf Zusammenarbeit ausgerichtet.

Eine neue Wählervereinigung unter dem Namen Unabhängige Bürger Güntersleben (UBG) hatte sich zum Ziel gesetzt, die bisher bestehende Polarisierung im Gemeinderat aufzubrechen – und traf damit offenbar die Stimmungslage in der Wählerschaft. Auf Anhieb errang sie die Hälfte der Sitze im Gemeinderat und verfügte jetzt ihrerseits mit dem Bürgermeister über eine absolute Mehrheit. Diese musste sie zwar bei der nächsten Wahl wieder abgeben, blieb aber seither die stärkste Fraktion im Gemeinderat.

  • Gemeinderatswahl 1990
    • UBG               44,7 %      = 8 Sitze
    • SPD                39,0 %      = 6 Sitze
    • CSU                16,3 %      = 2 Sitze
Gemeinderat 1990

Gemeinderat 1990

  • Gemeinderatswahl 1996
    • UBG               41,7 %      = 7 Sitze
    • SPD                36,9 %      = 6 Sitze
    • CSU                21,4 %      = 3 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2002
    • UBG               37,4 %      = 6 Sitze
    • SPD                32,0 %      = 5 Sitze
    • CSU                30,6 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2008
    • UBG               35,4 %      = 6 Sitze
    • CSU                34,0 %      = 5 Sitze
    • SPD                30,6 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2014
    • UBG               35,1 %      = 6 Sitze
    • CSU                34,8 %      = 5 Sitze
    • SPD                30,1 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2020
    • UBG               40,4 %      = 7 Sitze
    • CSU                32,2 %      = 5 Sitze
    • SPD                27,5 %      = 4 Sitze

 

Seit 1996 hat keine Fraktion mehr im Gemeinderat alleine die Mehrheit. Wer seine Vorhaben voranbringen will, muss Mehrheiten über politische Grenzen hinaus suchen.

12/2021

 

 

 

 

 

Bürgermeisterwahlen in Güntersleben seit 1946

 

Zehn Jahre kein gewählter Bürgermeister

Seit 1919 wählten die Bürgerinnen und Bürger von Güntersleben, wie in allen bayerischen Gemeinden, für jeweils fünf Jahre ihren Bürgermeister. Im Dezember 1929 war das zum vorerst letzten Mal der Fall. Der Bauunternehmer Anton Kilian, als SPD-Mitglied für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt, konnte diese jedoch nicht bis zum Ende wahrnehmen. Es half ihm nichts, dass er 1933, wohl weniger aus Überzeugung, sondern um den Erwartungen an ihn als Amtsträger zu genügen, der NSDAP beigetreten war. Im Mai 1935 wurde er aus dem Amt gedrängt und durch einen zuverlässigeren Parteigänger der Nationalsozialisten ersetzt – natürlich ohne Wahl.

Unmittelbar nach dem Kriegsende am 8. Mai 1945 entfernten die Amerikaner den NS-Bürgermeister Maternus Werner aus dem Amt. Bei der Suche nach einem unbelasteten Nachfolger, der übergangsweise, bis wieder eine Wahl stattfinden konnte, das Amt übernehmen sollte, taten sie sich jedoch schwer. Der Feuerwehrkommandant Peter Kuhn, der 1933 auch ins Visier der Gestapo geraten war, wollte erst einmal nichts mehr mit Politik zu tun haben und winkte ab. Daraufhin ließ sich der frühere Bürgermeister Anton Kilian, der 1935 gleich nach seinem erzwungenen Rücktritt auch sein Parteibuch wieder zurückgegeben hatte, nochmals in die Pflicht nehmen. Schon in fortgeschrittenem Alter, fühlte er sich jedoch der Belastung nicht mehr gewachsen und trat nach gut zwei Monaten im August 1945 wieder zurück. Der nächste in der Reihe, der Tünchermeister Ferdinand Lother, gab schon nach einem Monat wieder auf. Erst im vierten Anlauf bekam Güntersleben im Oktober 1945 mit dem Fahrradhändler Michael Fritz wieder einen Bürgermeister, der bereit war, nach seiner Ernennung durch den Landrat das Amt für längere Zeit auszuüben.

 

Endlich wieder wählen

Am 27. Januar 1946 gab es in Bayern zum ersten Mal nach Kriegsende wieder demokratische Gemeindewahlen. Von den 763 Wahlberechtigten in Güntersleben suchten 745 das Wahllokal im Rathaus auf. Mit 97,6 % hatte Güntersleben die höchste Wahlbeteiligung unter allen Gemeinden im Landkreis Würzburg. Bei den 18 Wahlberechtigten, die zu Hause blieben, dürfte es sich mindestens teilweise, wenn nicht insgesamt um Personen gehandelt haben, die nicht in der Lage waren, zum Wählen zu gehen. Denn anders als heute war noch keine Briefwahl möglich. Nach den Jahren, in denen die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Meinung nicht gefragt waren, war das demokratische Bewusstsein nicht verloren gegangen. Im Gegenteil! Aber man wollte schon sicher sein, auf was man sich einließ, daher fiel die Entscheidung für den amtierenden Bürgermeister recht deutlich aus.

  • Bürgermeisterwahl 1946:
  •      Michael Fritz (CSU)      419 Stimmen
  •     Georg Knorz (KPD)       225 Stimmen

 

Wahl mit Überraschungen

Schon gut zwei Jahre später wurde am 25. April 1948 in den bayerischen Gemeinden erneut gewählt. In Güntersleben bewarben sich drei Kandidaten um das Bürgermeisteramt und lagen nach dem ersten Wahlgang ziemlich nahe beieinander.

  • Bürgermeisterwahl 1948 – Erster Wahlgang:
    •      Konrad Geißler (SPD)        356 Stimmen
    •      Karl Kunzemann (CSU)     355 Stimmen
    •      Georg Knorz (KPD)           308 Stimmen

 

Es gab eine Stichwahl zwischen den zwei Bewerbern mit den meisten Stimmen. Jedermann ging davon aus (und würde auch heute selbstverständlich erwarten), dass der ausgeschiedene KPD-Mann im zweiten Durchgang den SPD-Kandidaten unterstützen würde. Doch Georg Knorz schwenkte zur allgemeinen Überraschung kurzfristig um. Er forderte seine Anhänger auf, in der Stichwahl den CSU-Mann zu wählen – und die folgten ihm offenbar (was heute allerdings nicht mehr so selbstverständlich wäre), wie das Ergebnis eindeutig belegt.

  • Stichwahl 1948
  •      Karl Kunzemann (CSU)               636 Stimmen = 59,4 %
  •      Konrad Geißler (SPD)                 435 Stimmen = 40,6 %

 

In der ersten Sitzung des ebenfalls neu gewählten Gemeinderats wurde Georg Knorz, dessen Fraktion nur 3 Sitze hatte, mit 6 Stimmen zum Zweiten Bürgermeister gewählt.

Dreimal wurde Kunzemann bei den nachfolgenden Bürgermeisterwahlen in seinem Amt bestätigt.

  • Bürgermeisterwahl 1952
  •       Karl Kunzemann (CSU)       73,1 %
  •      Markus Fischer (SPD)          26,9 %
  • Bürgermeisterwahl 1956
  •      Karl Kunzemann (CSU)        67,2 %
  •      Maternus Werner (SPD)      32,8 %
  • Bürgermeisterwahl 1960
  •      Karl Kunzemann (CSU)       54,8 %
  •      Alfons Müller (SPD)             45,2 %

 

Wechsel an der Spitze der Gemeinde

1966 wollte es Karl Kunzemann auch noch ein fünftes Mal wissen. Doch sein Amtsbonus war verbraucht. Wie er war auch sein Nachfolger Alfons Müller vier Mal erfolgreich, aber aufgrund der mittlerweile längeren Wahlperioden sechs Jahre länger im Amt, bevor er auf eine weitere Wiederwahl verzichtete.

  • Bürgermeisterwahl 1966
  •      Alfons Müller (SPD)           65,5 %
  •      Karl Kunzemann (CSU)     34,8 %
  • Bürgermeisterwahl 1972
  •      Alfons Müller (SPD)          71,4 %
  •      Walter Amend (UWG)      28,6 %
  • Bürgermeisterwahl 1978
  •      Alfons Müller (SPD)          56,6 %
  •      Karl Lother (CSU)             43,4 %
  • Bürgermeisterwahl 1984
  •      Alfons Müller (SPD)          57,5 %
  •      Dr. Josef Ziegler (CSU)     42,5 %

 

Bürgermeister ohne Parteibuch

Seit 1990 kommen die Bürgermeister aus den Reihen der Unabhängigen Bürger Güntersleben (UBG), einer 1989 gegründeten freien Wählergemeinschaft ohne Parteibindung.

  • Bürgermeisterwahl 1990
  •      Dr. Josef Ziegler (UBG)          56,5 %
  •      Dieter Ruck (SPD)                  43,5 %
1990 2a

Gespanntes Warten auf das Ergebnis der Bürgermeisterwahl 1990

  • Bürgermeisterwahl 1996
  •      Dr. Josef Ziegler (UBG)          57,2 %
  •      Dr. Walter Kolb (SPD)            42,8 %
  • Bürgermeisterwahl 2002
  •      Herbert Struch (UBG)            59,4 %
  •      Günter Hörr (CSU)                 40,6 %

 

Nach dem vorzeitigen Amtsverzicht von Herbert Struch war schon 2005 die nächste Bürgermeisterwahl, mit drei Bewerbern und nachfolgender Stichwahl.

  • Bürgermeisterwahl 2005
  •      Ernst Joßberger (UBG)          38,4 %
  •      Fabian Frühwirth (CSU)        33,1 %
  •      Dieter Melching (SPD)          28,5 %
  • Stichwahl:
  •      Ernst Joßberger (UBG)          54,3 %
  •      Fabian Frühwirth (CSU)        45,7 %

 

2011 war trotz wiederum drei Bewerbern keine Stichwahl notwendig, weil der Amtsinhaber schon im ersten Wahlgang die Mehrheit aller gültigen Stimmen erzielte.

  • Bürgermeisterwahl 2011
  •      Ernst Joßberger (UBG)           57,7 %
  •      Dieter Menth (SPD)                26,2 %
  •      Jochen Neuland (CSU)           16,0 %

 

Die erste Bürgermeisterin

  • Bürgermeisterwahl 2017
  •      Klara Schömig (UBG)                   54,3 %
  •      Michael Freudenberger (CSU)     45,7 %

 

Mit Klara Schömig kandidierte 2017 zum ersten Mal in Güntersleben eine Frau für das Bürgermeisteramt. Mit ihrer Wahl wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Bürgermeisterwahlen in Güntersleben aufgeschlagen.

11/2021

 

 

 

 

 

 

Die Rathäuser von Güntersleben

Nicht nur alle sechs Jahre, wenn mit Spannung erwartet wird, wer zum Bürgermeister oder zur Bürgermeisterin gewählt wurde, steht das Rathaus im Blickpunkt des örtlichen Interesses. Es ist auch außerhalb der Wahlzeiten die wichtigste öffentliche Einrichtung der Gemeinde. Im Rathaus wird über die aktuellen Aufgaben und die künftigen Planungen für Güntersleben beraten und entschieden. Vom Rathaus werden die übrigen Einrichtungen der Gemeinde betreut und wird der laufende Geschäftsgang abgewickelt. Zum Rathaus kommen die Bürgerinnen und Bürger mit Anliegen jeglicher Art, nicht nur solchen, die die Gemeinde betreffen. Eine Gemeinde ohne Rathaus ist für uns heute daher kaum vorstellbar. Doch das war nicht immer so.

2012 Rathaus 1a

Rathäuser, meist in Verbindung mit einem Ratskeller, gab es zuerst nur in größeren Städten. In einem Dorf wie Güntersleben sah man andere Einrichtungen als wichtiger an. Vor allen anderen natürlich die Kirche. Dann aber auch das Wirtshaus, die Schmiede, die Mühle, ein Hirtenhaus und auch die Schule. Allesamt Einrichtungen, die schon lange bestanden, ehe die Gemeinde an den Bau eines Rathauses dachte.

Wozu auch ein Rathaus? Verwaltungspersonal, das einen Arbeitsplatz gebraucht hätte, gab es bis nach dem Ersten Weltkrieg nicht. Beschlüsse und Entscheidungen wurden alter Tradition gemäß unter freiem Himmel gefasst, vom Schultheiß und den Männern des Dorfgerichts oder bei Zusammenkünften der Gemeindebürger. Wann man in Güntersleben dazu überging, sich dabei in geschlossenen Räumen zu treffen, wissen wir nicht. Als geeignete Versammlungsstätte ist wohl nur die Gemeindeschenke in der Dorfmitte, später die Hirschenwirtschaft, denkbar. Andere größere Räumlichkeiten gab es nicht.

Das erste Rathaus über der Gemeindeschmiede

„Zur größeren Ehr Gottes für die gemeine Wohlfart erbaut 1731.“ So steht es noch immer über der Eingangstüre des heute so genannten Frühmessnerhauses am Aufgang zur Kirche und kündet davon, welchem Zweck das Gebäude ursprünglich diente. Es war das erste Rathaus von Güntersleben, erbaut über der Gemeindeschmiede, die schon 1594 an dieser Stelle erwähnt wird und noch bis 1903 in Betrieb war.

Trotz späterer Umbauten unter wechselnden Besitzern hatte das Haus über der Schmiede schon bei seiner Erbauung etwa die gleichen Ausmaße wie heute. Es war damit für damalige Verhältnisse ein ungewöhnlich großes Bauwerk. Man darf vermuten, dass die Gemeinde sich dabei am 50 Jahre vorher gebauten Pfarrhaus auf der anderen Seite der Treppe orientierte. Das Rathaus sollte ein sichtbares Gegengewicht zur damals noch klösterlichen Verwaltung der Pfarrei setzen, um zu zeigen, wer im Dorf das Sagen hatte. Denn zwischen Kloster und Pfarrherren auf der einen und dem Schultheiß mit dem Dorfgericht auf der anderen Seite herrschte keineswegs immer eitel Sonnenschein.

Wie das Pfarrhaus überragte auch das neu gebaute mehrgeschossige Rathaus die damals durchwegs noch eingeschossigen und damit recht niedrigen Bauernhäuser ringsum. Die einstige Kirchenburg mit der Kirche, dem Schulhaus, dem Pfarrhaus und jetzt auch mit dem Rathaus beherrschte weithin sichtbar noch bis in die jüngste Zeit die Silhouette des Dorfes.

Für ihre Verwaltungsgeschäfte brauchte die Gemeinde ein Rathaus dieser Größe, wie sie es 1731 baute, fürwahr nicht. Ohne hauptberufliches Personal mit festen Arbeitsplätzen reichte der Gemeinde ein Amtszimmer, in dem Sitzungen, Versammlungen und Verhandlungen stattfinden konnten. Und so konnte im Rathaus auch noch der Schmied mit seiner Familie wohnen und zeitweise auch ein Leineweber sein Handwerk ausüben. Als 1820 eine zweite Schulstelle notwendig wurde, nutzte man das Amtszimmer jetzt gleichzeitig auch als Unterrichtsraum. Und auch für den zweiten Lehrer, den die Gemeinde seitdem beschäftigte, fand sich noch eine Wohnung im Rathaus. Die bestand zwar nur aus einem Zimmerchen mit gerade siebeneinhalb Quadratmetern; da aber der zweite Lehrer üblicherweise noch jung und unverheiratet war, erschien der Gemeinde das ausreichend und angemessen. Die vorgesetzte Schulbehörde fand dann aber, es sei doch etwas viel, was alles im Rathaus untergebracht war. Sie beanstandete 1836 daher „das Ungereimte, dass in dem Gemeindezimmer die Schule gehalten, und der Unterricht durch den im nämlichen Hause wohnenden Gemeindeschmied und einen Leinen-Weber gestört werde.“

Umzug in die alte Schule am Kirchplatz: das zweite Rathaus

Nicht nur im Rathaus, sondern auch im älteren und – soweit uns bekannt – ersten Schulhaus Günterslebens über dem Zugangstor zum Kirchplatz wurde der Platz mit zunehmender Schülerzahl immer enger. Und so baute die Gemeinde 1838 neben die Kirche ein neues Schulgebäude, das heutige Kolpinghaus. Im Erdgeschoss wurden die Wohnungen für die beiden Lehrer eingerichtet, eine größere für den ersten Lehrer mit seiner Familie und eine kleinere für den zweiten Lehrer. Darüber waren zwei geräumige Klassenzimmer, in denen jetzt alle Schüler aus dem Dorf unterrichtet werden konnten.

Obwohl damit das Sitzungszimmer im Rathaus jetzt nicht mehr für die Schule zweckentfremdet war, verlegte die Gemeinde 1840 ihren Verwaltungssitz in das frei gewordene alte Schulhaus, das damit zum Rathaus wurde und heute unter dem Namen Altes Rathaus bekannt ist. Das bisherige Rathaus über der Schmiede diente der Gemeinde für einige Jahre als Armenhaus, ehe sie das Gebäude 1853 an den Schmied verkaufte, der im Untergeschoss weiter seinem Handwerk nachging.

So wirklich glücklich war man mit dem Umzug an den Kirchplatz dann anscheinend doch nicht. Die alte Schule war nicht nur kleiner, auch ihr Bauzustand war schon länger nicht mehr der beste. Doch für einen Umbau hätten nach damaligem Recht die Bürger ihre Zustimmung geben müssen – und die verweigerten sie. Obwohl nach einem ersten vergeblichen Versuch vom Ortsvorsteher, wie es im Beschlussbuch der Gemeindeverwaltung heißt, „die besten Vorstellungen gemacht und zu Zustimmung des notwen­digen und guten Werkes aufge­fordert wurde“, lehnten auch in einer zweiten Abstimmung am 27. Februar 1940 wieder 102 von 168 stimmberechtigten Bürgern das Vorhaben ab. Die eben­falls protokollierte Begründung: „Es mag sein und gehen wie es will; wir können den fragli­chen Bau, da wir keinen Fond zur Be­strei­tung der Kosten haben, nicht unternehmen.“

Die alte Schule, jetzt das Rathaus, blieb wie es war. Der Gemeindevorstand – so die damalige Bezeichnung für den Gemeinderat – musste für seine Sitzungen mit den Räumen vorliebnehmen, wie sie der Lehrer mit seinen Schülern verlassen hatte. Seit 1845 kennen wir auch so etwas wie regelmäßige Sprechstunden für die Bevölkerung im Rathaus. Der neu gewählte Orts­vorsteher Michael Christ bestimmte nämlich: „Um den Einwohnern regelmäßigen Zutritt ihrer Vorträge und Angelegen­heiten wegen zu verschaffen, wird hiermit angeordnet, daß …. auf dem Gemeindehause dahier, nämlich in dem Rathzimmer allda täglich eine Stunde bestimmt, näm­lich Vormittags von 10 bis 11, während welcher Zeit daselbst jedem Einwohner hierorts freier und anständiger Zutritt ge­stattet ist. Im Hause des Vorstehers wie im Gasthaus wird sonach im allgemeinen einem Vor­bringen kein Gehör geschehen.“

Das Rathaus am Kirchplatz entsprach offenbar auch nachfolgend nicht den Erwartungen der Gemeindevorsteher. Es gab Überlegungen, die Gemeindever­wal­tung in eine der beiden Lehrerwohnungen im Schulhaus – dem heutigen Kolpinghaus – zu ver­legen. 1904 wollte die Gemeinde ihr früheres Rathaus über der Schmiede wieder zurückkaufen, doch die Verhandlungen zerschlugen sich.

Eigentlich war die Rückkehr in das frühere Rathaus auch nur ein Wunsch des Pfarrers gewesen. Ihn störte das Rathaus am Kirchplatz, das er gerne beseitigt wissen wollte. Aus heutiger Sicht dürfen wir ganz froh sein, dass daraus nichts wurde.

Wirklich eng wurde es dann im Rathaus aber 1920. Wegen der weiter gestiegenen Schülerzahl musste eine vierte Schulstelle eingerichtet werden. Weil dafür im ganzen Dorf kein geeigneter Raum zu finden war, musste wieder das Sitzungszimmer, jetzt im Rathaus am Kirchplatz, dafür herhalten. Als dann die Gemeinde 1921 ihren ersten hauptberuflichen Verwaltungsangestellten einstellte, weil der Schulleiter nach der Übernahme der Lehrer in den Staatsdienst nicht mehr als Gemeindeschreiber tätig sein konnte, war für den vorerst kein Platz im Rathaus. Er musste daher seinen Schreibtisch in seiner Wohnung aufstellen und erhielt dafür eine extra Entschädigung von der Gemeinde. Dass es derweil im Rathaus immer wieder zu Reibereien zwischen dem Bürgermeister und der Lehrkraft kam, war geradezu unvermeidlich, wenn zum Beispiel in den Unterrichtpausen Verhandlungen über die Verpachtung der Gemeindejagd im gemeinsam genutzten Schul- und Sitzungszimmer stattfanden und die sich länger als geplant hinzogen. Erst 1926 hatte es damit ein Ende, als die Schulklasse einen Raum in einer der beiden Lehrerwohnungen in der benachbarten Schule erhielt, und der Gemeindeschreiber endlich seine Arbeiten im Rathaus erledigen konnte.

Pläne für ein neues Rathaus im Dritten Reich

Es waren weder der Bedarf an größeren Büroflächen noch der bauliche Zustand des alten Gebäudes, die 1938 den Anstoß gaben, an den Bau eines neuen Rathauses zu denken. Vielmehr passte es wohl nicht zum Geist der Zeit, dass die Gemeindeverwaltung im Schatten der Kirche ihren Sitz hatte, wie das herkömmlich auch in anderen Dörfern oft der Fall war. Man wollte ein repräsentatives neues Rathaus in der Dorfmitte beim Kettenbrunnen, die seit 1933 Hindenburgplatz hieß und Schauplatz der großen Parteikundgebungen war.

Die Kaufverhandlungen des Bürgermeisters mit den Eigentümern der angrenzenden Hofstellen zwischen der Langgasse und der Rimparer Straße – damals Adolf-Hitler-Straße – waren schon weitgehend abgeschlossen. Doch dann schweigen die Akten. Die vorbereitenden Maßnahmen auf den näher rückenden Krieg hatten Vorrang, so dass die Planung eines neuen Rathauses wie auch andere Vorhaben in Güntersleben zurückgestellt wurden. Der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit setzten dann endgültig andere Prioritäten als den Bau eines neuen Rathauses.

Das heutige Rathaus an der Würzburger Straße

Spätestens seit Mitte der 1960er Jahre zeichnete sich ab, dass über kurz oder lang ein größeres Rathaus gebraucht würde. Die Einwohnerzahl von Güntersleben wuchs stetig. Statt bisher 10 mussten jetzt 14 Gemeinderäte am Ratstisch Platz finden, so dass man für die Sitzungen in die Schule ausweichen musste. Für das zusätzliche Personal, das zur Bewältigung der immer umfangreicher und anspruchsvoller werdenden Verwaltungsaufgaben benötigt wurde, waren die räumliche Enge und die Arbeitsbedingungen im historischen Gemäuer des Rathauses am Kirchplatz immer weniger zumutbar.

Erste Überlegungen, die jedoch nicht sehr konkret wurden, gingen dahin, die frühere Kinderbewahranstalt an der Langgasse zu einem Rathaus umzubauen oder das gegenüberliegende Gasthaus zum Hirschen für diesen Zweck zu kaufen. Als sich dann 1974 die Gelegenheit bot, ein größeres Wohnhaus in der unteren Gartenstraße zu erwerben, sah die Gemeinde das als Chance, damit ihre Raumprobleme zu lösen. Im Verlauf der Planungen stellte sich dann aber heraus, dass das Gebäude für einen Umbau zum Rathaus nicht sehr geeignet war, und so verfolgte man schließlich auch diese Lösung nicht mehr weiter.

Da erinnerte man sich daran, dass die Gemeinde bereits seit 1963 Eigentümerin des ehemaligen Forsthauses an der Würzburger Straße war und zwischenzeitlich auch benachbarte Freiflächen erworben hatte. Als dann die Raiffeisenbank auch noch ein früheres landwirtschaftliches Anwesen an der Sterngasse kaufen konnte, hatte man damit einen geradezu idealen Standort für eine große gemeinsame Lösung gefunden.

Nach einer relativ kurzen Planungsphase begannen im Herbst 1976 die Bauarbeiten. Nach gut einem Jahr Bauzeit wurden das Rathaus und die örtliche Geschäftsstelle der Raiffeisenbank mit der feierlichen Einweihung am 15. Januar 1978 ihrer Bestimmung übergeben. Die Baukosten für das Rathaus lagen bei etwa einer Million DM.

Das Alte Rathaus am Kirchplatz wurde nach dem Auszug der Gemeindeverwaltung der Arbeiterwohlfahrt überlassen, die es nach einer von der Gemeinde finanzierten und mit vielen freiwilligen Arbeitsleistungen vorgenommenen Renovierung seit 1980 als ihr Vereinsheim nutzt.

So lange wie in früherer Zeit werden heute Gebäude und Einrichtungen nicht mehr genutzt, bevor Erneuerungsbedarf gesehen wird. So stand fast 40 Jahre nach der Inbetriebnahme des Rathauses an der Würzburger Straße eine Generalsanierung an, die im Sommer 2016 begonnen wurde. Neben vielem anderen wurden die haustechnischen Anlagen erneuert, der Brandschutz verbessert, der Zugang durch einen Aufzug barrierefrei gestaltet und neue Büroräume durch den Ausbau des Dachgeschosses geschaffen. Die Kosten für die Ertüchtigung betrugen mit 2,8 Mio Euro ein Mehrfaches der ursprünglichen Baukosten.

Mit einem Tag der offenen Tür wurde das Rathaus im Januar 2020 offiziell wieder seiner Bestimmung übergeben und sollte damit für die nächsten Jahrzehnte allen Anforderungen genügen.

11/2021

 

 

 

 

 

 

Große Schritte, kleine Schritte, manchmal auch zurück: Wie Güntersleben zu dem wurde, was es heute ist.

Wechselvoller Weg mit vielen unbeschriebenen Seiten

Nur Städte und Dörfer, die erst in neuerer Zeit gegründet wurden, werden zu einer lückenlosen Darstellung ihrer Geschichte in der Lage sein. Bei den anderen beginnt der Weg meist in einem unerforschten Tunnel, dessen Länge man oft nur ahnen kann, und auch wenn es heller wird, lassen sich nicht immer alle Etappen genau nachverfolgen.

Der erste urkundliche Nachweis von Güntersleben aus dem Jahr 1113 bestätigt uns zwar, dass es das Dorf zu dieser Zeit gab, sagt aber nichts darüber, wie lange es da schon bestand. Auch für die Zeit danach gleicht unser Bild von Güntersleben erst einmal einem weitgehend leeren Rahmen, der sich erst im Lauf der Jahrhunderte ganz allmählich füllt.

Dabei sehen wir, dass die Entwicklung von Güntersleben aus kleinen Anfängen bis zu seiner heutigen Größe und Ausdehnung alles andere als gleichmäßig und geradlinig verlief. Selten waren die Verhältnisse über längere Zeit stabil. Abhängig von vielerlei Faktoren, wie den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, klimatischen Veränderungen und Naturereignissen, Kriegen, Seuchen, Epidemien und anderem mehr, war es ein steter Wechsel zwischen Aufschwung, Stillstand und Niedergang.

Hilfe von außen war dabei eher weniger zu erwarten. Das Dorf musste seinen Weg selbst finden und aus eigenen Kräften bewältigen.

Im Dunkel der Geschichte

Bodenfunde deuten darauf hin, dass schon seit der beginnenden Jungsteinzeit um 5000 v. Chr. immer wieder einmal für kürzere oder längere Zeit Siedlungen auf Günterslebener Gemarkung bestanden. Der Ortsname lässt vermuten, dass Güntersleben – oder Gundresleibi in der frühesten bekannten Schreibweise –als dauerhafte Siedlung von den Thüringern gegründet sein könnte, deren Herrschaftsgebiet sich zwischen 400 und 531 n. Chr. bis in den hiesigen Raum im Maindreieck erstreckte. Ortsnamen mit der Endung -leben sind im heutigen Thüringen in der Gegend um Erfurt sehr verbreitet. Von da führt über Unsleben in der Rhön, Eßleben, Zeuzleben und Ettleben bei Schweinfurt gewissermaßen eine Spur bis nach Güntersleben, dem südlichsten Ort mit diesem Namensbestandteil.

Während die leben-Orte bei Schweinfurt schon im 8. und 9. Jahrhundert auch in schriftlichen Quellen erscheinen, gibt es für Güntersleben noch lange keinerlei Nachweise irgendwelcher Art. Es bleibt allein beim Ortsnamen als zwar plausiblen Hinweis, aber letztlich doch nicht zwingender Beleg dafür, wann Güntersleben als Siedlung entstanden sein könnte.

Gundresleibi und der erste namentlich bekannte Günterslebener

1113 Erste Urkundliche Erwähnung Kopie

1113 Erste Urkundliche Erwähnung

Gewissheit schafft erst eine Urkunde von 1113, in der „Gundresleibi“ zum ersten Mal erwähnt wird. Es geht darin um die Schenkung einer Hofstelle an das Würzburger Kloster St. Stephan. Man wird daraus schließen können, dass das Kloster schon damals wie die nachfolgenden fast 700 Jahre Güntersleben seelsorglich betreute. Vermutlich gab es zu der Zeit auch schon die kleine Kapelle, dem hl. Laurentius geweiht, die sich nach späteren schriftlichen Zeugnissen genau dort befand, wo heute die Festhalle steht. Wo sonst als bei dieser Kapelle, den Dürrbach gleich nebenan, werden sich auch die Häuser und Höfe der Bauern angesiedelt haben, wie es spätere Generationen aus der mündlichen Überlieferung wissen wollten. Schließlich wird in der erwähnten Urkunde auch der Besitzer der übertragenen Hofstelle genannt. Gundram, damaliger Gepflogenheit folgend nur mit dem Vornamen bezeichnet, ist damit der erste Günterslebener, dessen Name uns überliefert ist.

Eine frühe Blütezeit?

Wieviele Einwohner oder Familien in Güntersleben ansässig waren, bleibt uns für damals wie auch für die folgenden Jahrhunderte noch verschlossen.

Wir wissen, dass gegen 1150 ein vom Kloster eingesetzter Dorfverwalter namens Lutold daran ging, sich einen Herrschaftssitz in Güntersleben einzurichten. Nicht unten im Dorf bei den Bauern, sondern des besseren Überblicks halber auf dem Berg. Es entstand daraus die Kirchenburg um die heutige Maternuskirche. Die unteren Geschosse des Kirchturms stammen aus dieser Zeit.

Lutolds Nachkommen aus seinem Geschlecht schafften es nicht, ihre Herrschaft auf Dauer zu festigen. Das Dorf aber entwickelte sich weiter, so dass 1345 die Grundlagen für die Errichtung einer eigenständigen Pfarrei gegeben waren. Wie aus der Gründungsurkunde hervorgeht, war die Kirchenverwaltung in der Lage, einen ansehnlichen Ablösebetrag für die Trennung von der bisherigen Mutterkirche in Veitshöchheim zu bezahlen. Auch ist von Spenden und Opfergaben von Pilgern und Fremden die Rede, die zu St. Maternus nach Güntersleben wallten.

Ein Drittel der Pilgerspenden sollte dem Gotteshaus zu dessen Erhaltung zugutekommen. Es war wohl nicht zu wenig, denn sonst hätte man sich um 1400 nicht an den Bau einer größeren Kirche wagen können. Fertiggestellt wurde davon aber nur der gotische Chor. Als – nach den unteren Turmgeschossen – ältester Teil der heutigen Kirche zeigt er, in welchen ungewöhnlichen Dimensionen für eine Dorfkirche und in welchen finanziellen Größenordnungen man plante. Das alles legt den Schluss nahe, dass Güntersleben, wie groß es auch gewesen sein mag, zu dieser Zeit eine Blütezeit erlebte.

Wenn 1490 ausweislich der Ratschronik der Stadt Würzburg an einer Wallfahrt nach Güntersleben tatsächlich an die 2500 Personen teilgenommen haben sollen, so könnte das ein später Höhepunkt gewesen sein. Jedenfalls blieben dann die Pilger irgendwann aus, die Geldströme ins Dorf versiegten und die Kirche konnte in den geplanten Ausmaßen nicht vollendet werden.

Ob die Ursache oder einer der Gründe dafür der große Dorfbrand von 1510 war, durch den Güntersleben, wie es in einer Bittschrift des Schultheißen an das Kloster heißt, „zu merglichem und verderblichem Schaden kommen“, oder ob der Niedergang auf ein anderes Ereignis zurückzuführen war? Wir wissen es nicht.

Der Schleier über dem Dorf lichtet sich

In den Urkunden, die aus der Zeit bis dahin erhalten sind, werden immer wieder einmal vereinzelt Namen von Personen genannt, wie ein Kirchenpfleger Engelhard, ein Schultheiß Gotze Nithard und andere. Dann aber werden in einem Dokument von 1574 alle Männer und Frauen mit eigenem Hausstand namentlich aufgeführt. Entstanden ist das Schriftstück, als der kurz vorher gewählte Fürstbischof Julius Echter nach Arnstein kam und bei dieser Gelegenheit seine Untertanen aus den Orten des Amtsbezirks zur Erbhuldigung antreten und einen Treueeid auf ihren neuen Landesherrn ablegen mussten. Aus Güntersleben sind „71 Mannschaften und 7 Wittfrauen“ erfasst. Gemeint sind damit die Männer mit Bürgerrecht, in der Regel Familienväter, und die Witwen, die das Bürgerrecht ihrer verstorbenen Ehemänner weiterführten. Da das Erscheinen Pflicht war und nur die fehlen durften, die den Weg nach Arnstein nicht bewältigen konnten, darf man von näherungsweise 90 bis 100 Familien oder 400 bis 500 Einwohnern ausgehen, die Güntersleben damals zählte.

Bestätigt werden diese Annahmen durch das Salbuch von 1594, einer Ortsbeschreibung, die eben dieses Amt Arnstein anfertigte. Dort wird exakt die Zahl von „106 Mannschaften“, also Familien, und „81 Herdstätten und Häuser“ genannt.

1594

Fast zur gleichen Zeit begannen 1592 die Pfarrer damit, einer Anweisung ihrer kirchlichen Obrigkeit folgend, alle Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle in Güntersleben in sogenannten Matrikelbüchern namentlich zu erfassen. Seitdem kennen wir die Dorfbewohner auch mit ihren Namen und ihren wichtigsten Lebensdaten und können mit etwas Glück unsere Vorfahren bis dahin zurückverfolgen.

Zurückgeworfen durch Pest und Krieg

Ohne die gerade erst angelegten Matrikelbücher wüssten wir nicht, dass Güntersleben vor 400 Jahren in kurzer Folge gleich mehrere seine Existenz bedrohende Katastrophen zu überstehen hatte.

1608 wurde das Dorf, vermutlich nicht zum ersten Mal, von der Pest heimgesucht. 38 Menschen starben binnen weniger Monate. Drei Jahre später kehrte die Pest wieder mit noch verheerenderen Folgen und 141 Toten unter den kaum mehr als 500 Einwohnern.

1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Dass Güntersleben Schauplatz unmittelbarer kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen wäre, ist nicht überliefert. Dass das Dorf gleichwohl nicht von den schlimmen Begleiterscheinungen des Krieges verschont blieb, lässt sich aber auch aus den Matrikelbüchern nachvollziehen. Nachdem die Zahl der Sterbefälle schon in den vorangehenden Jahren deutlich angestiegen war, starben 1632 binnen eines Jahres 132 Menschen, die meisten vermutlich am Hungertyphus. Statt über 100 Familien wie zu Beginn dieses unseligen Jahrhunderts zählte Güntersleben 1640 nur noch 61 Familien. Statt jährlich 25 bis 30 Kinder wurden zwischen 1635 und 1650 in den meisten Jahren weniger als 10 Kinder geboren.

Die Einwohnerzahl dürfte auf kaum mehr als die Hälfte gegenüber früher geschrumpft sein. Das Dorf wurde in seiner Entwicklung praktisch um ein Jahrhundert zurückgeworfen.

1640

Erst nach 100 Jahren wieder erholt

Nach dem Friedensschluss von 1648 ging es auch in Güntersleben wieder aufwärts. Um 1690 war mit rund 100 Familien der Stand vom Beginn des Jahrhunderts wieder erreicht. Als 1698 das Vermögen aller Günterslebener mit Haus- und Grundbesitz in einem sogenannten Schatzungsbuch für Steuerzwecke erfasst und bewertet wurde, zählte man 106 Wohnanwesen. Seit der ersten uns überlieferten Zählung von 1594 waren demnach 25 Anwesen dazugekommen.

1698

Anders als vordem sind die Häuser auch nicht nur summarisch genannt, sondern einzeln mit den Namen der Besitzer aufgeführt. Zur Lagebeschreibung sind jeweils die Besitzer der Nachbaranwesen und dazu in einzelnen Fällen uns noch bekannte Straßennamen wie Westert, Lange Gasse, Kühehaug, Stiegelein, Bachgasse und der Kettenbrunnen angeführt.

Mit diesen Angaben lassen sich für das Jahr 1698 zum ersten Mal die Lage des Dorfes und seine Ausdehnung bestimmen. Nachdem der mutmaßlich anfängliche Standort am Dürrbach spätestens nach dem Dorfbrand von 1510 aufgegeben worden war, findet man die Häuser jetzt fast nur noch in den höher gelegenen Arealen, die wir heute als inneren Kern des Altorts kennen. Das sind die eng bebauten Viertel, die von der inneren Rimparer Straße, der Gramschatzer Straße, der Schönbrunnenstraße und der Zehntgasse umgrenzt werden, sowie zwischen der unteren Neubergstraße und der Würzburger Straße, endend kurz nach der Engelsgasse. Vom Dürrbach hielt man wegen der immer einmal drohenden Überflutungen respektvollen Abstand. So waren die Würzburger und die Rimparer Straße auf der bachzugewandten östlichen Seite nur in der Ortsmitte mit einigen wenigen Häusern bebaut.

Erster Ortsplan und erstes Einwohnerverzeichnis

1740 erstellte Pfarrer P. Gerard Molitor, gemäß einer allgemeinen obrigkeitlichen Anweisung, ein Häuserbuch, dem er einen handgezeichneten Ortsplan voranstellte. Darauf sind, fortlaufend nummeriert, alle bebauten Grundstücke mit ihrem durch Augenschein grob ermittelten Umgriff eingetragen. Auf den folgenden Seiten des Buches sind für jedes Anwesen die darin lebenden Familien mit den einzelnen Familienmitgliedern namentlich aufgelistet.

Aus dem Häuserbuch von Molitor, heute im Diözesanarchiv Würzburg verwahrt, lässt sich ent­nehmen, dass Güntersleben damals 137 Wohnhäuser und 146 Familien zählte. Rechnet man zu den namentlich erfassten Familienmitgliedern die nicht angeführten alleinstehenden Personen hinzu, kommt man auf die Summe von etwa 680 Einwohnern.

1740

Der Vergleich mit den vorangehenden Zahlen zeigt, dass Güntersleben einen außergewöhnlichen Entwicklungsschub erlebt haben muss, der um 1700 eingesetzt hatte. Wo man bis dahin die Hanglagen zum Bauen bevorzugt hatte, wurden jetzt auch die tieferen Lagen entlang der Würzburger und der Rimparer Straße und in der Thüngersheimer Straße für Neubauten genutzt. Das Dorf dehnte sich in alle Richtungen aus. Nur an der Gramschatzer Straße mied man weiter die Nähe des Baches. Verständlich, wenn man sich erinnert, dass dort auch noch in neuerer Zeit das meist so träge Gewässer immer wieder einmal über die Ufer trat.

Nach der Expansion wieder Stagnation

Der Aufwärtstrend war aber nicht von Dauer. Nach dem regelrechten Bauboom im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts kamen in dessen weiteren Verlauf nur noch sechs weitere Häuser hinzu. Die Einwohnerzahl stagnierte und war dazwischen zeitweise wohl sogar rückläufig.

1800

Über die Ursachen dieses Stillstands haben wir keine gesicherten Erkenntnisse. Bekannt ist, dass damals im Gefolge der sogenannten kleinen Eiszeit merklich ungünstigere Witterungsbedingungen für Landwirtschaft und Weinbau herrschten, was in einem Bauerndorf nicht ohne Folgen bleiben konnte. Es gab während dieser Zeit auch immer wieder Jahre mit einer ungewöhnlichen hohen Anzahl von Sterbefällen. 1758 starben in dem kleinen Dorf 58 Menschen jeden Alters, davon 36 binnen drei Monaten. Auch wenn wir weder hier noch in anderen Fällen die Todesursachen kennen, deutet doch alles darauf hin, dass das Dorf in dieser Phase besonders unter wiederkehrenden Epidemien und Seuchen zu leiden hatte. Unabhängig davon, ob zusätzlicher Wohnraum überhaupt gebraucht wurde, fehlten den Menschen jetzt anscheinend über Jahrzehnte auch die Kraft und die Mittel, um neue Häuser zu bauen. 1798 bezeichnet ein zeitgenössischer Autor Güntersleben in der Rückschau als „ein dürftiges Nest“, will aber aktuell doch Anzeichen eines steigenden Wohlstandes gesehen haben.

Mehr Einwohner, aber wenig neuer Wohnraum

Erst nach 1800 kam die Bautätigkeit allmählich wieder in Gang, wenn auch sehr langsam. 1832 wurden im Zuge der bayerischen Landvermessung die Grundstücke und Gebäude zum ersten Mal geometrisch eingemessen und damit der erste maßstabsgetreue Ortsplan erstellt. 154 Wohnhäuser sind darauf eingetragen. Seit Beginn des Jahrhunderts waren demnach nur 11 Neubauten erstellt worden.

Wie sollte man auch bauen, wo das Dorf während der jahrelangen Kriegshändel mit Frankreich immer wieder unter Truppendurchzügen, Einquartierungen, Plünderungen und Kriegstributen zu leiden hatte? Als dann 1815 Napoleon endgültig besiegt war und Frieden einkehrte, schlossen sich nahtlos gleich mehrere Jahre mit Missernten und einer extrem schwierigen Versorgungslage auch in Güntersleben an. Die Menschen hatten andere Sorgen als zu bauen.

Die Bautätigkeit konnte demnach nicht annähernd Schritt halten mit der Entwicklung der Einwohnerzahl, die bis 1832 auf über 900 anstieg. Für die Menschen im Dorf bedeutete das, dass sie enger zusammenrücken mussten.

1832

Es wird wieder gebaut und die Einwohnerzahl steigt weiter

Nachdem die Folgen der Kriegs- und Hungerjahre überwunden waren und die wirtschaftliche Lage sich gebessert hatte, ging man entschlossen daran, den Wohnungsmangel zu beseitigen. Bis 1860 kamen 25 und bis 1914 nochmals knapp 40 neue Wohnhäuser hinzu. Seit etwa 1850 wurden in Güntersleben häufiger auch zweigeschossige Häuser gebaut, die Platz für mehrere Familien boten. Die Bebauung drängte vor allem in der Würzburger und in der Thüngersheimer Straße nach außen.

Die Einwohnerzahl übersprang 1850 die Tausenderschwelle, stieg bis zur Jahrhundertwende auf 1160 und legte bis 1914 nochmals um 100 auf 1260 Personen zu.

1914

Im Blick auf die Zunahme der Geburtenzahlen hätte die Einwohnerzahl eigentlich noch schneller auf einen noch höheren Stand zunehmen müssen. Denn wurden zum Beginn des 19. Jahrhunderts im mehrjährigen Durchschnitt noch unter 30 Kinder geboren, stieg der Durchschnittswert bis 1850 auf mehr als 40 und bis 1870 auf über 50 Geburten im Jahr. 1875 und die Jahre danach wurden sogar jährlich über 60 Kinder geboren, eine Zahl übrigens, die heute trotz mehrfacher Einwohnerzahl fern jeder Reichweite liegt.

Dagegen stand aber nach wie vor eine hohe Kindersterblichkeit. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch und bis noch zum Ersten Weltkrieg erlebten in Güntersleben drei von zehn Neugeborenen nicht den Beginn ihres zweiten Lebensjahres. Vier von zehn Kindern starben, bevor sie sechs Jahre alt waren.

Dazu kamen immer wieder Jahre, in denen Epidemien mit ansteckenden Krankheiten grassierten. Für das Jahr 1860 zum Beispiel sind 46 Geburten registriert, aber 69 Sterbefälle, mehr als doppelt so viele wie in anderen Jahren. Typhus und Blattern waren zugleich ausgebrochen und kosteten 28, nahezu ausschließlich erwachsenen, Einwohnern das Leben. Dazu kamen die üblichen Kinderkrankheiten, in diesem Jahr mit fünf Scharlachfällen. Wenn auch nicht mehr auf diesem hohen Niveau, gab es auch nachfolgend immer wieder Jahre mit überdurchschnittlichen Sterberaten. Typhus, dann auch Tuberkulose und bei den Kindern Masernausbrüche blieben eine ständige Bedrohung.

Ein Weiteres darf man nicht übersehen. Das ganze 19. Jahrhundert über zogen mehr Menschen aus Güntersleben weg als – in aller Regel durch Einheirat – zuzogen. Da war nicht nur der Verlust von mindestens 60 Einwohnern, die nach Nordamerika auswanderten. Viele andere, die bei der größeren Zahl von Geschwistern auf dem elterlichen Hof keine Existenz mehr fanden und sich nicht mit einem Taglöhnerdasein zufriedengeben wollten, suchten ihr Glück in der näheren oder ferneren Umgebung, um als Bau- oder Fabrikarbeiter ein besseres Auskommen zu finden.

Wohnungsbau und Einwohnerzuwachs zwischen den Kriegen

In den Kriegsjahren 1914 – 1918 brach die Zahl der Neugeborenen in Güntersleben auf weniger als die Hälfte gegenüber den Vorkriegsjahren ein. 60 Soldaten kamen aus dem Weltkrieg, den man später als den Ersten bezeichnen sollte, nicht mehr zurück. Am Ende des Krieges zählte Güntersleben weniger Einwohner als zu dessen Beginn. Aber nicht lange.

Nach einer Rekordzahl von 28 Eheschließungen im ersten Nachkriegsjahr 1919 – mehr als insgesamt in den vorangegangenen sechs Jahren – normalisierten sich auch die Geburtenzahlen wieder. Bis 1925 gelang es dann auch noch, die Kindersterblichkeit drastisch einzudämmen. Die Einwohnerzahl entwickelte sich kontinuierlich nach oben.

Trotz der schwierigen Wirtschaftslage und inflationär steigenden Kosten wurden schon bald nach dem Krieg wieder Wohnhäuser gebaut. Bis 1925 konnten 25 Neubauten bezogen werden. Damit war der dringendste Bedarf erst einmal gedeckt und das Tempo verlangsamte sich. Die Neubautätigkeit orientierte sich die nächsten Jahre bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs in etwa an der Bevölkerungszunahme. Dabei wuchs das Dorf jetzt nicht mehr nur an der Würzburger und in der Thüngersheimer Straße in den ebenen Lagen nach außen. Zunehmend wurde auch an der Rimparer Steige jenseits der Bachbrücke gebaut. 1939 standen die ersten vier Häuser unterhalb vom Heulenberg an der heutigen Ringstraße.

1939

Wohnungsnot in den letzten Kriegsjahren und nach dem Zweiten Weltkrieg

Von den knapp 1500 Einwohnern, die Güntersleben vor Beginn des Zweiten Weltkriegs zählte, kamen 91 Soldaten von der Front nicht mehr zurück und verloren sechs weitere Ortsbewohner ihr Leben bei Angriffen auf das Dorf.

Seit 1943 und in weit größerer Zahl seit den letzten Kriegswochen kamen Ausgebombte und Vertriebene nach Güntersleben, die bei praktisch unverändertem Gebäudebestand zusätzlich unterzubringen waren. Für zeitweise bis zu 600 Personen wurden Zimmer in den vorhandenen Wohnungen freigeräumt und Notunterkünfte in Dachgeschossen und anderen bis dahin nicht für Wohnzwecke genutzten Teilen von Häusern und Nebengebäuden eingerichtet.

Der Krieg mit seinen Folgen ließ die Einwohnerzahl von Güntersleben binnen kürzester Zeit auf 2000 und mehr hochschnellen.

1947

Wohnraum schaffen

Es dauerte, bis die ersten Evakuierten, vor allem auch die aus dem total zerstörten Würzburg, wieder in ihre Heimatstädte zurückkehren konnten. Manche blieben auch für längere Zeit oder für immer in Güntersleben, wie fast alle aus ihrer Heimat im Osten Vertriebenen.

An eine Rückführung der Einwohnerzahl auf das Vorkriegsniveau und Angleichung an den Wohnungsbestand war daher nicht zu denken. Sie ging bis 1950 nur leicht zurück und verharrte dann das ganze nachfolgende Jahrzehnt bei knapp unter 1900 Personen.

Wieder einmal galt es daher, alle Kräfte zu mobilisieren, um die drückende Wohnungsnot zu beheben. Die Gemeinde sorgte für kostengünstig zu erwerbendes Bauland durch die Erschließung der sogenannten Siedlung entlang der heutigen Ringstraße und ermöglichte das Bauen auch an anderen Ortsrändern.

Schon bald machten sich die ersten Bauwilligen, manche noch nicht lange aus dem Krieg oder aus der Gefangenschaft heimgekehrt, ans Werk. Die allermeisten bewältigten diese Herausforderung, zumal nach der Währungsreform, mit sehr bescheidenen finanziellen Mitteln und überwiegend mit persönlichen Arbeitsleistungen sowie Verwandten- und Nachbarschaftshilfe.

Auf diese Weise wurden in wenig mehr als einem Jahrzehnt 80 neue Wohnhäuser gebaut. Auch wenn bei vielen der Innenausbau und die Ausstattung erst einmal auf das Notwendigste beschränkt waren, konnte man gegen 1960 wieder von einer ausreichenden Wohnraumversorgung in Güntersleben sprechen.

1960

Bauland durch die Flurbereinigung

Die meisten Gemeinden im Umkreis größerer Städte profitierten nach 1960 von dem damals zu beobachtenden Phänomen der Stadtflucht. Verstärkt wurde dieser Trend in Güntersleben durch die Einbeziehung in das Würzburger Nahverkehrssystem und eine Flurbereinigung, die durch die Vorparzellierung von Grundstücken rings um die bestehende Bebauung die Ausweisung neuer Baugebiete erheblich erleichterte. Nachdem die Tallagen weitgehend bebaut waren, wurden jetzt auch die umgebenden Hanglagen bebaut.

Güntersleben erlebte, anhaltend über die folgenden Jahrzehnte, ein bis dahin nicht gekanntes Wachstum. 1970 konnte der 3000. und 1993 der 4000. Einwohner begrüßt werden. In weniger als 40 Jahren hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt.

2002

Gleichzeitig stiegen die Ansprüche an die Wohnqualität und die Wohnfläche. Die Folge davon war, dass sich der Haus- und Wohnungsbestand im gleichen Zeitraum sogar verdreifachte.

Einwohnerzuwachs durch Neubaugebiet und Einwohnerrückgang im Bestand

Bald nach dem Eintritt in das neue Jahrtausend änderte die bis dahin über viele Jahre nach oben weisende Einwohnerkurve die Richtung. Ende 2002 bei fast 4500 angelangt, sank die Einwohnerzahl danach stetig, um sich dann bei knapp über 4300 zu stabilisieren. Niedrigere Geburtenraten, Wanderungsverluste, der Wegzug junger Menschen, die zum Studium oder danach auf der Suche nach qualifizierteren Arbeitsplätzen ihrem Heimatort den Rücken kehrten, zeigten ihre Wirkung. Gebaut wurde zwar immer noch, aber nicht mehr im gleichen Umfang wie in den Boomzeiten.

Dass nach den Jahren ungebremsten Wachstums eine Beruhigung eintrat, hatte durchaus seine gute Seite. Statt auf die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für immer mehr Einwohner konnte die Gemeinde ihr Augenmerk verstärkt auf die bestehende Infrastruktur richten, um diese, wo nötig zu erneuern und zukunftsfähig auszubauen und weiterzuentwickeln. Tatsächlich ist das auch in großem Stil geschehen.

Nur langsam kehrte sich der Trend wieder zurück zur einmal erreichten Einwohnerzahl. Erwartungen, dass die Erschließung eines größeren Neubaugebiets auf der Platte nach bisherigen Erfahrungen einen größeren Einwohnerschub bringen würden, erfüllten sich jedoch nicht. Das Neubaugebiet wurde zwar binnen weniger Jahre komplett bebaut und wird inzwischen von 240 Personen bewohnt. Gleichzeitig ging aber die Einwohnerzahl in den übrigen Ortsbereichen im Vergleich zum Jahr 2002 in der gleichen Größenordnung zurück.

2020

Seit 2002 vergrößerte sich der Gebäudebestand zwar um 150 neue Wohnhäuser, darunter auch einzelne größere Wohnanlagen. Die Einwohnerzahl ist aber die gleiche geblieben. Wir machen uns immer breiter – zu Lasten der freien Landschaft.

09/2021

 

 

 

Güntersleben heute

Güntersleben ist eine Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Würzburg und zählt heute 4500 Einwohner. Die Nähe zur 12 km ent­fernten Kreisstadt Würzburg prägte vor allem in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung der Gemeinde entscheidend. Seit dem Ausbau der Verkehrsanbindungen kann man von hier aus be­quem all das nutzen, was die Stadt zu bieten hat: Den Arbeitsplatz in Behörden oder Betrie­ben, die weiterführenden Schulen, die Einkaufsmöglichkeiten, das Kultur- und Freizeitan­gebot. Vor diesem Hin­ter­grund wurde aus dem ehemals abseits gelegenen Bauerndorf Gün­ters­leben eine gefragte Wohngemeinde. Ausdeh­nung und Einwohnerzahl haben sich seit 1965 mehr als verdoppelt.

Über Güntersleben Bild

Eingebettet in eine noch weitgehend intakte hügelige Naturlandschaft und rings umgeben von ausgedehnten Wäldern, versteht sich Güntersleben heute als familienfreundliche Gemeinde mit einem hohen Wohn- und Freizeitwert. Neben der üblichen Ausstattung der Grundversorgung sind besonders hervorzuheben die ausgedehnten Sport- und Freizeitanlagen, wie man sie vergleichbar in Gemeinden ähnlicher Größe kaum finden wird. Den Weg vom Bauerndorf zur Wohngemeinde zeigt augenfällig das Lagerhaus, ursprünglich für die Bedürfnisse der Landwirtschaft gebaut und heute Bürgerzentrum mit Gemeindebücherei und Räumen für Aktivitäten in den Bereichen Bildung und Kultur, die von einem ausgesprochen regen Vereinsleben getragen werden.

Der bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hier noch dominierende Beruf des Landwirts wird auch in Güntersleben wie überall nur noch von wenigen ausgeübt. Geblieben und in den letzten Jahrzehnten eher an Bedeutung wieder gewonnen hat aber der Weinbau. Ein gutes Dutzend Nebenerwerbswinzer mit etwa 18 Hektar Rebfläche baut zumeist noch im eigenen Keller einen fränkisch herben, in seiner Natur­be­lassenheit aber sehr bekömmlichen Schoppen aus, der zum Genießen einlädt.

Für das Ortsbild prägend ist heute wie früher die katholische Pfarrkirche über dem Altort mit dem für fränkische Dörfer typischen Echterturm, dessen älteste Bausubstanz bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Organisatorisch bildet die katholische Kirchengemeinde seit 2002 eine Pfarreiengemeinschaft mit der Nachbargemeinde Thüngersheim. Die evangelischen Christen gehören der Kirchengemeinde in Veitshöchheim an. Ein knappes Drittel der Einwohner gehört einer anderen als den christlichen oder keiner religiösen Gemeinschaft an.

Die politische Spitze der Gemeinde repräsentieren derzeit Bürgermeisterin Klara Schömig (UBG-Unabhängige Bürger) und der 16-köpfige Gemeinderat mit sieben Mitgliedern der UBG, fünf Mitgliedern der CSU und vier Mitgliedern der SPD.

Güntersleben wurde 2012 als kleinste Gemeinde in Bayern und als erste Gemeinde im Landkreis Würzburg in den weltweiten Kreis der Fairtrade-Gemeinden aufgenommen, die sich für faire Handelsbeziehungen mit den Produzenten der sogenannten Dritten Welt einsetzen.

08/2021