Die Anfänge der Schule in Güntersleben

29. Juli 2021

Die Anfänge der Schule in Güntersleben

Die Kirche hat in Deutschland die ersten Schulen eingerichtet und die Entwicklung des Schul­wesens über lange Zeit bestimmt. Aufbauend auf der Tradition der Römer wurden Kloster­schulen und seit dem 8. Jahrhundert in den Städten die Domschulen eingerichtet. Diese wa­ren zunächst dem Klerus vorbehalten und wurden seit dem frühen Mittel­alter auch Laien geöffnet.

Auf den Dörfern gab es bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts nur in seltenen Fällen bereits eine Pfarrschule, in denen der Ortsgeistliche seine Messdiener und Sänger ausbildete. Ansonsten waren die Menschen auf dem Land weitgehend Analphabeten.

Den Aufbau eines allgemeinen Schulwesens in Franken leitete Fürstbischof Julius Echter (1573 – 1617) ein. Der große Gegenreformator und Bauherr ließ nicht nur 300 Kirchen, sondern auch viele Schulhäuser bauen. Ihm kam es darauf an, durch Schulbildung im Volk bessere religiöse Kenntnisse und damit eine Festigung des Glaubens zu erreichen.

Bildung, Freizeit, Soziales Bild

Wenig Platz. Im Schulsaal über der Kinderbewahranstalt an der Langgasse. 1933.

 

In diese Zeit fällt wohl auch die Einrichtung der ersten Schule in Güntersleben. Im Salbuch des Amtes Arnstein von 1594, in dem das Amt die Verhältnisse in dem ihm unterstellten Dorf Güntersleben beschrieb, ist zu lesen: „1 Schulhaus steht auf dem Kirchhof, ganz neugebaut.“ Es handelt sich um das heutige Alte Rathaus am Aufgang zur Kirche, demnach um 1590 gebaut und vermutlich das erste Schulhaus in Güntersleben. In der Sterbematrikel der Pfarrei findet sich unter dem 14. Juni 1606, wie damals üblich in lateinischer Sprache, der Eintrag: „Conradus Henffling ultra 16 annos in hoc pago ludimoderator.“ Der Verstorbene Konrad Henffling war demnach mehr als 16 Jahre in diesem Dorfe Schulmeister. Auch diese Spur stützt damit die Annahme, dass es mindestens seit 1590 und wohl auch erst seitdem eine Schule in Güntersleben gab.

Während der Bau und die Unterhaltung des Schulhauses Aufgabe der Gemeinde war, oblag die örtliche Aufsicht über die Schule und den Lehrer dem Pfarrer. Wer sonst auch wäre dafür infrage gekommen? War er doch wohl erst einmal der Einzige im Dorf, der des Lesens und Schreibens kundig war. Daher konnte man auch als Lehrer nur jemanden von außerhalb bestellen, für den man dann aber auch eine Wohnung brauchte, die praktischerweise auch gleich im Schulhaus eingerichtet wurde.

Der Lehrer wohnte also mit seiner Familie im Schulhaus und erteilte dort auch den Unterricht, anfangs ohne räumliche Trennung. Nachdem die Beamten der höheren Schulaufsicht offenbar schon länger vergeblich moniert hatten, dass „Schüler samt Schulmeisters Hausgesind gemeinschaftlich beisammen wohnen müss­ten“, verlangte der Fürstbischof höchstselbst in einem Schreiben vom Sommer 1687, „eine Separation in der Schulstuben und zwar noch vor anstehendem Winter verfertigen zu lassen.“

Dem Schultheißen Leonhard Salfelder eilte es damit aber überhaupt nicht. Zwei Jahre später kamen die Schulkinder immer noch in die Wohnstube des Lehrers zum Unterricht. Mit dem Hinweis, dass die Schule auch vor Jahrzehnten so gestanden habe, weigerte sich der Schultheiß, den Umbau anzugehen. „Was soll man bauen? Ich bin allein nit hier, die Gemein will es nit haben.“ Er hatte also auch die öffentliche Meinung im Dorf hinter sich. Wie lange er damit die Sache weiter auf die lange Bank schieben konnte, ist nicht überliefert.

Der Vorgang zeigt beispielhaft, dass die Schule bei der Dorfbevölkerung und der Dorfobrigkeit noch lange nach ihrer Einführung eine wenig geschätzte Einrichtung war. Was die Kinder in der Schule lernten, war für viele im Dorf ein unnötiger Luxus, den sie für ihr künftiges Leben nicht brauchten. Die Bauern störten sich zudem daran, dass ihre Kinder durch die Unterrichtsstunden von der Mitarbeit auf dem Feld abgehalten wurden.

Daher war bis in das beginnende 18. Jahrhundert hinein vielerorts und vermutlich auch in Güntersleben nur im Winterhalbjahr Schulunterricht. Es dauerte mindestens bis 1750, bis gegen den anhaltenden Widerstand der Landbevölkerung durchgesetzt werden konnte, dass im Sommerhalbjahr täglich wenigstens eine oder zwei Stunden Unterricht gehalten wurde. Und der war dann so früh am Tag, dass die Kinder rechtzeitig wieder zu Hause waren, wenn die Arbeit auf dem Feld begann.

Anders als heute, wo die bestmögliche Gestaltung der Schulbedingungen von der Gemeinde mit der uneingeschränkten Unterstützung der Ortsbewohner als eine ihrer vorrangigen Aufgaben gesehen wird, genoss die Schule bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges keinen hohen Stellenwert in Güntersleben. Die Gemeinde wurde regelmäßig erst tätig, wenn der Druck der Schulbehörden zu übermächtig geworden war. Das Interesse weiter Kreise der Bevölkerung am regelmäßigen Schulbesuch ihrer Kinder hielt sich auch in Grenzen. In einer bäuerlichen Gesellschaft, wo man bei den beschränkten natürlichen Ressourcen hierorts einen beinahe permanenten Kampf ums tägliche Leben zu führen hatte, stand den wenigsten der Sinn nach Bildung. Da verwundert es nicht, wenn man auch aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche Schriftstücke findet, die mit drei Kreuzen unterzeichnet sind, weil die Unterschreibenden Analphabeten waren.

08/2021