Ackerbau und Viehzucht

17. März 2024

Ackerbau und Viehzucht

Güntersleben war ein Bauerndorf. Die Menschen im Dorf mussten ihr Auskommen davon bestreiten, was sie auf ihren Äckern, in ihren Gärten, in den Weinbergen und im Wald erwirtschafteten.

Wenn die Erträge aus der Landwirtschaft vor der Einführung neuzeitlicher Anbau- und Wirtschaftsmethoden allgemein um vieles geringer waren als heute, so galt dies umso mehr in Güntersleben. Die kleinbäuerliche Struktur, die überwiegend wenig ergiebigen Ackerböden und die landschaftlich zwar reizvolle, aber für die Bewirtschaftung ungünstige Topografie mit schwierig zu bearbeitenden Hanglagen ermöglichte den Dorfbewohnern nur eine bescheidene Lebensführung.

Dreifelderwirtschaft und Flurzwang

Seit dem Mittelalter wurde hierzulande der Ackerbau nach den Grundsätzen der Dreifelderwirtschaft betrieben. Die gesamte Feldflur – in Güntersleben etwa 900 Hektar groß – war in drei Bereiche aufgeteilt. Im jährlichen Wechsel wurde auf dem einen Drittel im Herbst das Wintergetreide (Roggen und Weizen) und auf dem zweiten Drittel im Frühjahr das Sommergetreide (Gerste und Hafer) ausgesät. Der dritte Flurbereich lag den Sommer über brach, wurde also nicht angebaut, damit sich der Boden erholen konnte und durch die Ausscheidungen der Schafherden und des Weideviehs wieder mit Nährstoffen versorgt wurde.

Es herrschte strenger Flurzwang, was bedeutete, dass die Felder in den betreffenden Flurdritteln nur mit den für das jeweilige Jahr dort zugelassenen Früchten bestellt werden durften bzw. brach liegen bleiben mussten.

Nach einem Bericht der Gemeinde an die vorgesetzte staatliche Behörde stellte sich die Situation in Güntersleben 1817 so dar: Die drei Flurbereiche waren – umgerechnet auf heutige Flächenmaße – mit jeweils 300 Hektar etwa gleich groß und „dem seitherigen Herkommen gemäß“ voneinander abgegrenzt. Im Winterflur, in Güntersleben Roggenflur genannt, wurden auf dem durch das vorangehende Brachjahr ausgeruhten und mit Nährstoffen versorgten Boden mit etwa gleichen Anteilen Roggen und Weizen, also das Brotgetreide, angebaut. Im Sommerflur, hier auch Lenzflur genannt, wurden überwiegend Hafer, vorzugsweise als Pferdefutter, und in geringerem Umfang Wicken, Erbsen und Linsen angebaut; Gerste spielte damals mit gerade einmal zwei Hektar Anbaufläche fast keine Rolle. Die Brachflur lag nach dieser Beschreibung „öde“ und wurde rechtzeitig vor der Aussaat im Herbst „gepflügt und zum Weizen und Kornsamen hergerichtet“. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Brachflur, nämlich zwei Hektar für Kartoffeln und weitere vier Hektar für Futterkräuter, wurde auch während des Ruhejahres genutzt.

Gegenüber früheren Anbaumethoden, bei denen jedes Jahr zwischen Anbau und Brache gewechselt wurde, führte die Dreifelderwirtschaft zu einer spürbaren Produktionssteigerung und damit zu einer Verbesserung der Ernährungslage. Gegenüber heute war der Ertrag aber immer noch kaum mehr als ein Zehntel dessen, was heute dank gezielter Nährstoffversorgung und Züchtungserfolgen auf einem Hektar an Getreide geerntet wird. Zudem wurde mit der Brache immer ein Drittel der Flur überhaupt nicht für den Anbau genutzt.

Brot als Hauptnahrungsmittel

Der Getreideanbau war die Lebensgrundlage der Dorfbewohner, die sich weitestgehend mit Brot ernährten. Das Brot ähnelte unserem Vollkornbrot, weil die Mühlen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht in der Lage waren, beim Mahlvorgang die Schale vom Korninhalt, dem Mehl, zu trennen. Das Brot war damit aber auch nahrhafter als Brot aus reinem Mehl.

Regelmäßig Fleisch kam nur auf die Tafeln der Fürsten und adeligen Herren. Für die Landbevölkerung war Fleisch zum Essen ein höchst seltener und für viele nahezu unbekannter Genuss, weil die Bauern in Dörfern wie Güntersleben kaum Schlachtvieh in nennenswerter Zahl halten konnten. Im Sommer konnten sie die Tiere – Kühe, Schweine, Ziegen – zwar dem gemeindlichen Viehhirten übergeben, der sie auf die Weide in die Wälder und auf die Brachfelder trieb. Den Winter über hatte man dann aber außer dem Hafer für die Pferde nur das Heu von den Wiesen, mit dem sich kein größerer Tierbestand durchbringen ließ.

Einem Schatzungsbuch von 1698, in dem das Vermögen aller 105 Familien am Ort erfasst wurde, lässt sich entnehmen, dass in Güntersleben auf nur wenigen größeren Bauernhöfen ein oder zwei Pferde oder Ochsen als Zugtiere und eine, selten zwei Milchkühe standen. Kleinbauern hatten in vielen Fällen sogar nur eine Ziege. Daran dürfte sich die folgenden 100 Jahre bis in das beginnende 19. Jahrhundert kaum viel geändert haben.

Kartoffeln, ursprünglich in Südamerika heimisch, wurden zwar vereinzelt schon seit 1650 auch in Franken angebaut. Als Nahrungsmittel stießen sie hier aber lange auf Vorbehalte. Wenn überhaupt, dann dienten sie als Schweinefutter. Vergleicht man die zwei Hektar von 1817 mit den 200 Hektar Kartoffelfeldern in Güntersleben nach dem Zweiten Weltkrieg, dann lässt sich die damals geringe Wertschätzung erkennen.

Bei den wenigen Kühen und Ziegen war Milch auch bei den Bauernfamilien ein kostbares Gut. Das Alltagsgetränk war Wasser. Weinstöcke standen zwar auf einem Vielfachen der heutigen Rebfläche, brachten aber im Vergleich zu heute weit geringere Erträge. Zuverlässiger im Ertrag und weniger witterungsabhängig war der Obstbau, der seit etwa 1790 von der staatlichen Obrigkeit nachhaltig gefördert wurde. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass Apfelwein bis in die jüngere Zeit zum Alltagsgetränk vieler Erwachsener wurde. Wie in anderen Dörfern mit Weinbau wurde auch in Güntersleben kein Bier gebraut; das erklärt, warum 1817 auch nur sehr wenig Gerste angebaut wurde.

Wenn das Wetter nicht mitspielte

Die einseitige Ausrichtung auf den Getreideanbau barg auch Risiken. Wenn die Wintersaat wegen anhaltender Trockenheit nicht keimte, durch Spätfröste Schaden litt oder ein Hagelschlag die Ähren kurz vor der Ernte zerstörte, dann fehlte in diesem Jahr das Brotgetreide und es drohte eine Hungersnot, wie sie Güntersleben 1817 erlebte.

Wie im Protokollbuch des Armenpflegschaftsrates nachzulesen ist, hatten im vorangehenden Jahr 1816 die Getreideäcker witterungsbedingt nur ein Viertel des normalen Ertrags gebracht und überdies hatten „die Weinberge gar nichts ertragen.“ Im Januar 1817 meldete die Gemeinde ihrer Aufsichtsbehörde, dem Königl. Landgericht, dass 50 (von damals etwa 150) Familien Unterstützung benötigten. Fast noch schlimmer war, weil sich damit die Notzeit verlängerte: Es war nicht einmal ausreichend Saatgut für die neue Bestellung der Felder vorhanden. Unter dem 16. Mai 1817 ist dann die nächste Hiobsbotschaft festgehalten: „Traurig sind die Ansichten, die unsere Kornfelder für die diesjährige Ernte gewähren, indem unterm gestrigen der Kieselschlag dieselbe teils 1/3, teils 3/4, einige zur Hälfte, einige gänzlich darnieder geschlagen und verwüstet hat.“ Einem neuerlichen Hilferuf der Gemeinde an die Aufsichtsbehörde ist zu entnehmen, dass inzwischen von den 748 Einwohnern nur 144 noch ausreichend Brot haben. „Es bleiben sohin 604 Seelen, denen das tägliche Brot mangelt.“ Eine Katastrophe konnte nur verhindert werden, weil der Staat seine Notvorräte in den Speichern freigab, die über das Land verteilt waren. Die zugebilligten Kontingente mussten aber von den Gemeinden selbst abgeholt werden und so machten sich Pferdefuhrwerke aus Güntersleben auf den Weg nach Arnstein, Karlstadt, Kitzingen, Ochsenfurt, Werneck und sogar bis nach Haßfurt, um dort Getreide zu fassen. Der Staat gab freilich nichts umsonst, sondern ließ sich die Hilfslieferungen teuer bezahlen. Aber „um dem Hungertode zu entgehen“, blieb der Gemeinde keine Wahl.

Kartoffeln, Klee und Rüben

Weil im nachfolgenden Herbst wegen des fehlenden Saatgutes „teils gar kein Korn gebaut wurde“, sei auch „bei den Begüterten keine vorrätige Metze Korn aufzusuchen“ und müssten sich diese „durch Untermengen der Grundbirn“ in das Brot durchschlagen. So schrieb die Gemeinde im Januar 1918 an das Kgl. Landgericht.

In der Not hatten also jetzt auch die Wohlhabenderen die Kartoffel als Nahrungsmittel entdeckt. Zuerst als Zusatz in den Brotteig und in der Folge auch in der uns geläufigen Zubereitung als Alternative zum Brot. Seitdem wurde die Brachflur in fortlaufend größerem Umfang für den Anbau von Kartoffeln und dann auch von Klee und Rüben genutzt.

Mit der Kultivierung der Kartoffel wurde die Ernährung der Menschen auf eine breitere und gesichertere Grundlage gestellt. Mit dem Futter von der Brache konnten die Nutztiere seit etwa 1840 ganzjährig im Stall gehalten werden. Die Gemeinde brauchte nicht mehr alljährlich für die Sommermonate einen Viehhirten dingen. Das Hirtenhaus am Kuhhaug wurde frei und diente seit 1850 als Armenhaus für Dorfbewohner, die sich keine Wohnung leisten konnten.

Die ganzjährige Stallhaltung hatte den weiteren Effekt, dass mit der dadurch anfallenden größeren Menge Mist und Jauche die Äcker jetzt reichlicher und gezielter gedüngt werden konnten, was zu höheren Erträgen führte. Dass damit auch ein zunehmend größerer Viehbestand einherging, belegt eine Viehzählung von 1907. Demnach standen in den Ställen der Günterslebener Bauern 40 Pferde und 650 Rinder. Der größte Teil der 180 Ziegen und auch nicht wenige der fast 800 Schweine gehörte Arbeiterfamilien, die auf diese Weise ihren Bedarf an Milch und Fleisch deckten.

Die Flur wird zum bunten Flickenteppich

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichte der Chemiker Justus Liebig (1803-1873) seine Forschungsergebnisse zur Förderung des Pflanzenwachstums und schuf damit die Grundlagen für den Einsatz von Mineralstoffen und Kunstdünger. Durch die regelmäßige Zuführung ausreichender Nährstoffe brauchten die Ackerflächen kein Ruhejahr mehr, sondern konnten durchgehend bewirtschaftet werden. Der Bau des Lagerhauses 1896 war dabei für Güntersleben ein entscheidender Fortschritt, denn jetzt konnte man den neuartigen Dünger auch vor Ort erwerben.

Bis zur endgültigen Aufgabe der Dreifelderwirtschaft dauerte es aber. Noch 1901 ist in einem Gemeinderatsbeschluss über die Vergabe der Schafweide von der Dreiteilung der Flur in Roggenflur, Lenzflur und Brachflur die Rede. Den strengen Flurzwang kannte man da aber schon nicht mehr. Die Bauern orientierten sich zunehmend daran, welche der höchst unterschiedlichen Bodenqualitäten in Güntersleben für die jeweilige Frucht geeignet war, also hochwertige Böden für den Weizen und die steinigeren Böden eher für die Gerste, die damit besser zurechtkam. Bei der kleinteiligen Parzellierung der Flur entstand daraus dann bald der bunte Flickenteppich der verschiedenen Früchte, wie man ihn bis zur Flurbereinigung zu Beginn der 1960er Jahre kannte. Nach der Zusammenlegung zu großen Schlägen wurde das Erscheinungsbild der Flur einförmiger. Die einstige Vielfalt der verschiedenen Früchte gibt es nicht mehr. Von den ehemals angebauten Getreidesorten sind Weizen und Gerste und im kleineren Umfang Roggen geblieben. Haferfelder wird man heute ebenso vergebens suchen wie Kartoffeläcker. Nicht zu übersehen sind dagegen zur Blütezeit die leuchtend gelben Rapsfelder, die das Bild der Flur seit ein paar Jahrzehnten neuerlich verändert haben.

03/2024