Kriegswichtige Kükenaufzucht

24. November 2022

Kriegswichtige Kükenaufzucht

Krieg ist bekanntlich nichts zum Lachen. Aber auch im Krieg geschehen Dinge, von denen man sich im Nachhinein fragt, ob das wirklich ernst gemeint war.

Im März 1939, also noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, ging bei der Gemeinde Güntersleben ein Rundschreiben des Reichsnährstandes ein, wonach in jeder Gemeinde eine Kükenaufzuchtstation einzurichten sei. Die Steigerung der Eierproduktion, so hieß es in einem späteren Schreiben, sei eine höchst kriegswichtige Angelegenheit. Es ging um die Versorgung der Truppen und der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln.

Da mit der Aufforderung gleich die Pläne für die Station geliefert wurden, konnte der Günterslebener Bürgermeister schon acht Monate später, im November 1939, Vollzug an die NS-Kreisleitung melden. Die Kükenaufzuchtstation sei eingerichtet und habe guten Erfolg zu verzeichnen.

So ähnlich wie auf dem Bild dürfte auch die Günterslebener Aufzuchtstation ausgesehen haben. Sie stand außerhalb vom Dorf an der Thüngersheimer Straße, war etwas größer als ein normaler Hühnerstall und besser gegen Kälte isoliert als damals jedes Wohnhaus. Zudem war der Bürgermeister strengstens angewiesen, ausreichend Kohle für die Beheizung zu beschaffen, notfalls auch aus dem Vorrat von Privathaushalten.

Die Kükenaufzuchtstation wurde nebenher von einem Günterslebener Bauern und seiner Ehefrau betrieben. Die bekamen, zum ersten Mal im April 1939, frisch aus dem Ei geschlüpfte Küken geliefert, die sie bis zur Legereife aufziehen mussten. Dann wurden die Junghennen an Hühnerhaltungsbetriebe abgegeben, wo die Eierproduktion beginnen konnte.

Nach den Abrechnungslisten im Gemeindearchiv sah die Jahresbilanz für 1942 so aus: Es konnten 660 Hennen und 324 Hähnchen verkauft werden, letztere allerdings zu einem weit geringeren Preis. Insgesamt belief sich der Verkaufserlös auf 1500 Mark. Bei Auslagen von 800 Mark für den Einkauf der Küken, für Futter, Heizung und anderes blieben 700 Mark als Jahresgewinn übrig.

So ging das, mit jedoch zunehmend geringeren Erlösen, bis 1944 weiter. Dann wurde der Betrieb sang- und klanglos eingestellt und geriet in Vergessenheit. Kriegsentscheidend war das Vorhaben offenbar auch nicht.

11/2022