Bader – Krankenschwestern – Ärzte

28. April 2024

Bader – Krankenschwestern – Ärzte

Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Arztpraxen, Apotheke, Pflegedienst, Physiopraxis sind wesentliche Bestandteile der Infrastruktur, auf die auch in Güntersleben keiner verzichten möchte. Dabei gibt es diese Dienste am Ort allesamt erst seit der zweiten Hälfte oder sogar erst seit dem letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts.

Die Bader

Die frühesten und für lange Zeit einzigen Heilkundigen, die uns im Dorf begegnen, waren die Bader. Sie gingen ihrem Gewerbe umherreisend nach, wie der bekannte Doktor Eisenbarth, oder waren auch für mehr oder weniger lange Zeit im Dorf ansässig. Die Berufsbezeichnung der Bader leitet sich von der Tätigkeit in den mittelalterlichen Badestuben der Städte ab. Sie waren zunächst Gehilfen bei der Körperpflege, vor allem beim Rasieren und Haareschneiden. Dazu kamen dann aber auch einfachere medizinische Verrichtungen wie die Behandlung von Verletzungen und Knochenbrüchen, Senkung von Bluthochdruck durch Aderlasse, Ausreißen schadhafter Zähne und schließlich auch die Leichenschau. Manche hatten eine rudimentäre Ausbildung, andere vertrauten auf ihre selbst erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen.

1629 erwirbt Bartholomäus Gering oder Gerig, mutmaßlich aus Thüringen oder Sachsen stammend, in Güntersleben das Bürgerrecht. In der Beurkundung wird er als „Baderhandwerker“ bezeichnet. Danach fehlen weitere Nachrichten über ihn. Er scheint also das Dorf bald wieder verlassen zu haben.

Anders als er ließ sich Stephan Lichtlein aus Rupprechtshausen nach seiner Eheschließung mit einer Günterslebener Bauerntochter hier dauerhaft nieder. Im Heiratseintrag von 1753 in der damals noch lateinisch abgefassten Pfarrmatrikel wird er als „chirurgus“ bezeichnet. Ein Hinweis darauf, dass er offenbar medizinische Kenntnisse hatte. In seinem Sterbeeintrag von 1798 steht „balneator“, der lateinische Begriff für Bader.

Allein von seiner Tätigkeit als Bader konnte im Dorf niemand leben. Die Bader waren daher üblicherweise Bauern, die sich nur nebenher der Körper- und Gesundheitspflege ihrer Mitbewohner widmeten. So auch Andreas Herbert, der einen größeren Bauernhof unten an der Zehntgasse hatte und nur einmal, 1857 bei der Geburtsanzeige einer Tochter, in einem amtlichen Buch als Bader erscheint.

Der letzte seiner Zunft war Valentin Kuhn (1836-1926). In allen amtlichen Einträgen lautet seine Berufsbezeichnung Bauer. Doch seine Zeitgenossen kannten ihn vor allem als Bader, bei dem sie Hilfe suchten, zumal zu seinen Lebzeiten nach wie vor ärztliche Hilfe nur aus Nachbarorten erreichbar war. Er war so populär, dass er für die Dorfbewohner allgemein der „Doktor Velt“ war. Die offenkundig respektvolle Titulierung ging auch auf seine Nachfolger und Hoferben, den Sohn „Doktersch Sepper“ und die Enkelin „Doktersch Tilla“ über.

Hebammen

Die zweite Berufsgruppe mit – auf ihre Tätigkeit bezogenen – medizinischen Kenntnissen waren im Dorf die Hebammen. Bei den gegenüber heute unvergleichlich größeren Risiken, mit denen eine Geburt für Mutter und Kind früher verbunden war, waren sie in abseits gelegenen Orten wie Güntersleben geradezu lebensnotwendig.

In den Geburtseinträgen der Pfarrei ist seit 1804 immer auch der Name der Hebamme angegeben, die es freilich schon lange vorher gegeben haben dürfte. Spätestens seit 1814 hatten die Hebammen in Güntersleben eine Ausbildung an der Hebammenschule in Würzburg und nahmen an Fortbildungen teil. Die Kosten dafür trug die Gemeinde. Ansonsten waren die Hebammen auf eigene Rechnung tätig und die längste Zeit auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft derer angewiesen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen. Bevor die Oberzeller Klosterschwestern die Krankenversorgung in Güntersleben übernahmen, konnte man sich auch Salben und Tabletten bei der Hebamme holen, die davon immer einen kleinen Vorrat hatte.

Spital und Pflegeheim – nicht für alle

Seit 1580 bestand in Würzburg das Juliusspital, errichtet von seinem Stifter und Namensgeber Fürstbischof Julius Echter für Kranke und Pflegebedürftige. Ganz einfach war es aber nicht, dort Aufnahme zu finden. Voraussetzung dafür war ein Antrag der Gemeinde, verbunden mit einem ausführlichen Gutachten, in dem sich der Ortsarmenrat zu den persönlichen Verhältnissen, zur Bedürftigkeit und vor allem auch zum Lebenswandel der Betreffenden äußern musste. So war zum Beispiel die Feststellung in einem Aufnahmegesuch von 1844, der 76-jährige Pflegebedürftige habe sein Vermögen „durch übermäßiges Zechen vergeudet und ist so durch eigene Schuld in Armut geraten“, wohl dafür ausschlaggebend, dass ihm kein Platz zugewiesen wurde. Gleiches dürfte ein Jahr später einer 74-jährigen Witwe widerfahren sein, der die Gemeinde bescheinigen musste, sie habe „früherhin ein zum standesgemäßigen Auskommen zureichendes Vermögen besessen, aber solches durch übermäßiges Zechen vergeudet.“

Wer keine pflegenden Angehörigen hatte und keine Aufnahme in ein Pflegestift fand, für den blieb dann oft nur das Armenhaus der Gemeinde. In dem seit 1850 zu diesem Zweck umgebauten früheren Hirtenhaus am Kuhhaug war auch ein Krankenzimmer eingerichtet. Mit der Versorgung betraute der Ortsarmenausschuss, wenn möglich, Mitbewohner im Armenhaus oder andere hilfsbereite Personen aus dem Dorf.

Die Krankenschwestern

Das Jahr 1907 brachte die medizinische Betreuung im Dorf einen großen Schritt nach vorne. Pfarrer Nikolaus Beck gelang es, das Kloster der Oberzeller Schwestern für die Einrichtung einer Sta­tion zur ambu­lanten Kran­­ken­­ver­sorgung in Güntersleben zu gewinnen.  Als örtlichen Trä­ger rief er im gleichen Jahr einen Krankenpflegeverein ins Leben. Dieser richtete das Ober­ge­schoss eines Anwesens in der Langgasse als Schwesternwohnung und Krankenstation ein. Das Haus, das heu­te nicht mehr steht, war dem Verein als private Stiftung für diesen Zweck zunächst zur Hälfte überlassen worden; 1950 wurde ihm auch die andere Hälfte übereignet.

Über 50 Jahre leisteten anfangs drei, später zwei Klosterschwe­stern mit großer Hingabe ihren Sama­riterdienst in der Gemein­de. Sie waren Tag und Nacht erreichbar, hatten in ihrer Station ein kleines Behandlungszimmer und suchten Kranke und Pflege­bedürftige zu Hause auf. Einen Eindruck vom Umfang und der Art ihres Einsatzes gibt eine Statistik des Di­öze­san­­caritas­ver­bandes von 1930. Dort heißt es über die Station in Güntersleben: „2 Die­ner­­innen von der hl. Kindheit Jesu betreuten 1930: 459 Kran­ke in 54 Tagespflegen, 101 Nacht­­wachen, dazu 5121 Besuche mit Dienstleistungen und 387 Verbände im Schwes­tern­haus.“

Wo für viele Leiden noch spezielle Medikamente fehlten, vertrauten die Krankenschwestern der Naturheilkunde. Sie legten Lehm- oder Quarkwickel an, kochten Tee und Heilwässer aus Heublumen, Brombeerblättern, Johanneskraut und verschafften Linderung durch Hilfsmittel ähnlicher Art.

1958 musste das Oberzeller Kloster aus Mangel an Nachwuchskräften die Krankenschwes­tern abberufen. In die Lücke traten die Franziskanerinnen aus dem Kloster Maria Stern in Augs­­burg. Sie be­treuten bereits seit 1873 die damals gegründete Kinderbewahranstalt in Gün­ters­leben und wa­ren mit jeweils einer Lehrerin im Schul­dienst tätig. Mit einer zusätzlich abgeord­neten Schwester übernah­men sie jetzt auch die Krankenbetreuung in Güntersleben. Der Kran­ken­pflegeverein stattete die Station der Sternschwestern im 1954 gebauten Kinder­garten an der Weinbergstraße mit den notwendigen zusätzlichen Einrichtungen aus. Die Mittel dafür brachte er durch den Verkauf des Anwesens in der Langgasse auf, das jetzt nicht mehr be­nö­tigt wurde.

Als sich 1963 auch die Sternschwestern nicht mehr in der Lage sahen, eine Krankenschwester für Güntersleben abzustellen, und anderweitiger Ersatz nicht zu bekommen war, löste sich der Krankenpflegeverein auf, weil er seinen satzungsgemäßen Aufgaben nicht mehr nachkommen konnte. Er war mit zu­letzt 380 Beitragszahlenden aus fast allen Familien der mitgliederstärkste Verein im Dorf.

Zehn Jahre war Güntersleben ohne Pflegedienst, bevor 1973 die Sozialstation des Paritätischen Wohlfahrtverbandes die ambulante Pflege übernahm. Ergänzt wurde das Angebot 2008 durch eine Tagespflegestätte der Caritas im Haus der Generationen.

Ärzte erst nur in den Nachbargemeinden

Wenn bisher von Ärzten keine Rede war, dann ist der Grund einfach: Bis nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Ärzte, die in Güntersleben ansässig waren. Da waren die umgebenden Dörfer schon viel früher dabei. Einem Bericht der Ortsarmenkommission aus dem Jahr 1806 ist zu entnehmen, dass man in einem dort angeführten Krankheitsfall nach einem „Chirurgen zu Rimpar“ auch noch einen „examinierten Chirurgen und Geburtshelfer zu Thüngersheim“ zu Rate gezogen habe.

Dass sich anders als hier in den umliegenden Dörfern Ärzte niederließen, erklärt sich zunächst damit, dass diese deutlich mehr – Thüngersheim zu Beginn des 19. Jahrhunderts sogar doppelt so viele – Einwohner zählten als Güntersleben. Zudem konnten Ärzte im Marktort Rimpar, in der Beamtengemeinde Veitshöchheim und im Weinort Thüngersheim auf eine zahlungskräftigere Klientel hoffen als bei den Kleinbauern in Güntersleben. Eine ärztliche Behandlung nahm man hier, solange man noch nicht krankenversichert war, nur im äußersten Notfall in Anspruch.

Wenn man unumgänglich einen Arzt in Güntersleben brauchte, musste man einen Boten in einen der Nachbarorte schicken. Seit 1900 gab es zwar ein Telefon in der Poststelle. Anrufe konnte von dort aber nur während der Dienststunden getätigt werden.

Am kürzesten war der Weg noch zu den Ärzten in Rimpar, die daher auch diejenigen waren, die in Güntersleben am weitaus häufigsten in Anspruch genommen wurden. Doch auch bis sie in dringenden Fällen bei den Patienten eintrafen, dauerte es. Denn bis gegen Ende des Ersten Weltkrieges legten sie die 4 Kilometer über Berg und Tal nach Güntersleben mit dem Fahrrad, auf einem Reitpferd oder in einer Kutsche zurück. Mit den Autos, die sie früher als irgendwer in Güntersleben besaßen, ging es dann doch schon etwas schneller.

Mit der Ausweitung des Versicherungsschutzes und damit folgend der größeren Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen kamen die Ärzte aus den Nachbargemeinden dann auch regelmäßig zu Behandlungstagen nach Güntersleben. Die Dorfgasthäuser waren ihre Anlaufstellen, beim einen die Krone in der Rimparer Straße (Bild), beim anderen der Schönbrunnen oben bei der Kirche. Dort konnte man den Wunsch nach einer Visite anmelden oder sich direkt zu einer Behandlung einfinden. Wollte man den ortsfremden Ärzten die Orientierung erleichtern, signalisierte man mit einem Handtuch, das man auf einem Stock aus dem Fenster hängte, dass man einen Besuch wünschte.

1947 richtete der aus dem Sudetenland stammende Dr. Ernst Haab die erste Hausarztpraxis in Güntersleben ein. Nach der Maternusapotheke im Jahr 1977 ließ sich 1982 auch der erste Zahnarzt hier nieder. Seitdem ist die medizinische Grundversorgung in Güntersleben auch vor Ort gewährleistet.

04/2024