Dorfkino Güntersleben

7. April 2024

Dorfkino Güntersleben

Nur wenige werden sich noch an die Zeit erinnern, als man auch in Güntersleben regelmäßig ins Kino gehen konnte.

Bevor die ersten Fernseher in die Wohnstuben Einzug hielten – in Güntersleben seit 1955 – konnte man Spielfilme nur im Kino sehen. Aber Kinos gab es erst einmal nur in Würzburg und die zu besuchen, war nicht immer ganz einfach. Denn ohne eigenes Fahrzeug war man auf den Omnibus angewiesen. Und der verkehrte am Spätnachmittag zum letzten Mal, bevor die Abendvorstellungen in den Kinos überhaupt begannen.

Dabei war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Interesse gerade bei der jüngeren Generation riesig. Was war für sie auf dem Dorf auch sonst schon geboten. Und wenn der Hund nicht zum Knochen kommt, findet sich schon wer, der den Knochen zum Hund – oder die Filme ins Dorf bringt.

So wurde bereits im August 1946 bei der Gemeinde ein „Filmvorführungs-Unternehmen“ angemeldet. Und zwar von Georg Knorz, der sich dann aber doch lieber als Omnibusunternehmer betätigte.

Im April 1948 war es dann so weit, dass man auch in Güntersleben regelmäßig Filme anschauen konnte. Ein Filmvorführer aus Winterhausen zog mit seinem Abspielgerät über die Dörfer und erschien alle 14 Tage und bald auch öfter in Güntersleben. Die Aufführungen fanden in Wirtshaussälen statt. Vor wie vielen Besuchern, ist nicht festgehalten. Größeres Interesse muss es aber schon gegeben haben, denn an vielen Spieltagen waren sogar zwei Termine nacheinander angesetzt.

Weil die Gemeinde auf die korrekte Einhebung der damals noch geltenden Vergnügungssteuer bedacht war, mussten alle Vorstellungen mit den Filmtiteln gemeldet werden. Von daher wissen wir, was in den Nachkriegsjahren so geboten wurde. Es war alles dabei, außer große und bekannte Filme. Abgespult wurden zum Beispiel: „Tropische Abenteuer“ – „Eine Frau für 3 Tage“ – „Der perfekte Mörder“ – „Der scheinheilige Florian“ – „Pat und Patachon“ und vieles auf ähnlichem Niveau.

Nachdem 1952 der TSV seine erste Turnhalle in der Gramschatzer Straße gebaut hatte, nutzte er die nicht nur für den Sportbetrieb und gesellschaftliche Veranstaltungen, sondern stellte sie die folgenden Jahre auch als Dorfkino zur Verfügung. Rechts vom Haupteingang kann man noch heute eine inzwischen rostbraune Türe mit den Resten eines Vordaches sehen. Das war der Zugang zum Vorführraum.

Bis in die beginnenden 1960er Jahre gab es hier mehrmals die Woche Filmvorführungen. Für das Jahr 1960 haben wir genauere Aufzeichnungen über die „Lichtspiele Güntersleben“, wie die Abrechnungen mit der Gemeinde überschrieben waren. Die 130 Kinoabende, die das Jahr über geboten wurden, lockten manchmal 20, meistens zwischen 40 und 70, und hin und wieder auch mehr Besucher an. Für einen Eintrittspreis von 1,30 Mark. Beliebt waren vor allem Heimatschnulzen wie „Wenn die Glocken hell erklingen“. In das „Tagebuch eines Frauenarztes“ wollten natürlich auch viele einen Blick werfen. Aber mit Abstand größter Publikumsmagnet war Freddy Quinn. Zu „Freddy unter fremden Sternen“ kamen 164 und zu „Freddy, die Gitarre und das Meer“ sogar 180 nach Seefahrerromantik schmachtende Besucher.

Bei den Vorstellungen in der alten Turnhalle konnte man noch live erleben, was ein Filmriss ist, den man heutzutage nur noch im übertragenen Sinn kennt, wenn jemandem die Erinnerung abhandengekommen ist. Nachdem die meisten Filme schon oft heruntergenudelt waren und das Vorführgerät auch nicht unbedingt allererste Klasse war, kam es immer wieder einmal vor, dass die Leinwand plötzlich dunkel wurde, weil der Film auf der Spule gerissen war (wie man aus der frühen Fernsehzeit noch die Bildstörungen kennt). Das löste dann regelmäßig ein lautstarkes Gejohle im Saal aus, zumal wenn das ausgerechnet bei einer heißen Liebesszene passierte. Weil es zu lange gedauert hätte, den Film zu kleben, fädelte der Vorführer das abgerissene Teil kurzerhand wieder neu ein. Auf der Leinwand wurde es wieder hell, aber es fehlte dann eben ein Stück der Handlung.

Auch Freddy Quinn konnte die „Lichtspiele Güntersleben“ nicht retten, als sich nach 1960 die Fernseher immer schneller verbreiteten. Stand 1960 erst in jedem vierten Haushalt in Güntersleben ein Gerät, waren 1965 schon mehr als die Hälfte der Wohnungen damit ausgestattet. Genauso schnell ging die Nachfrage nach den billigen Klamotten im Dorfkino zurück. Mit dem allgemeinen Kinosterben, das dem Siegeszug des Fernsehens in den 1960er folgte, hatte auch die alte Turnhalle als Kinosaal ausgedient. Äußerlich sichtbar ist aber auch nach über einem halben Jahrhundert immer noch die verrostete Türe zum Vorführraum.

04/2024