Dienstboten, Knechte und Mägde

4. November 2025

Dienstboten, Knechte und Mägde

Man kennt sie aus den ehemals so beliebten Heimatfilmen, Bergromanen oder dem volkstümlichen Bauerntheater: Zu einem richtigen Bauernhof gehören Knechte und Mägde. Die gab es früher auch in Güntersleben, oft auch als Dienstboten bezeichnet. Näheres dazu erfährt man aus dem Dienstbotenverzeichnis, das die Gemeinde seit 1846 führte. Darin sind die Namen der Knechte und Mägde, ihre Herkunft sowie die Dauer ihrer Beschäftigung und die Namen ihrer Dienstherren verzeichnet. Die Dienstboten selbst mussten ein Dienstbuch mit sich führen, das Auskunft gab über ihre Person und Beurteilungen ihrer Leistungen durch ihre Dienstherren enthielt.

Nur auf wenigen Höfen

Dienstboten konnten sich nur wenige der ungefähr 100 Bauern leisten, die es um 1850 in Güntersleben gab. Kaum einmal zehn Knechte und nur selten mehr Mägde waren gleichzeitig auf Bauernhöfen in Güntersleben im Einsatz. Sie waren um 20 oder 30 Jahre alt und kamen fast alle aus einem der umliegenden Dörfer. Als nachgeborene Geschwister der Hoferben hatten sie keine Aussicht, einmal den elterlichen Hof zu übernehmen, und auch (noch) keine Gelegenheit gefunden, in einen anderen Hof einzuheiraten und sich damit eine gesicherte Existenz zu schaffen.

Wie es altem Herkommen entsprach, traten sie in den meisten Fällen ihren Dienst um Mariä Lichtmess Anfang Februar an, wenn nach der Winterruhe die Arbeit auf den Feldern wieder begann. Nicht alle blieben bis zum nächsten Wechseltermin im folgenden Jahr, sondern beendeten ihren Dienst schon nach wenigen Wochen oder Monaten. Vielleicht weil die Hauptarbeit getan war oder aber auch, weil die unterschiedlichen Erwartungen zwischen der Dienstherrschaft einerseits und den Dienstboten andererseits zu einer vorzeitigen Trennung führten. Es konnte aber auch sein, dass Knechte oder Mägde über längere Zeit auf einem Hof blieben. Und es gab, wenn auch selten, die Fälle, dass eine Magd unter den jungen Männern im Dorf das Glück ihres Lebens fand und auf Dauer in Güntersleben blieb.

Keine geregelten Arbeitsbedingungen

Mehr als eine nur mit dem Allernötigsten eingerichtete kleine Kammer im Haus ihres Dienstherrn konnten die Knechte und Mägde nicht erwarten. Die Mahlzeiten nahmen sie am gemeinsamen Familientisch ein. Ihr Arbeitstag begann am Morgen, wenn die Kinder im Haus und das Vieh im Stall zu versorgen waren, und endete am Abend, wenn die Feldarbeit getan war und Ruhe auf dem Hof einkehrte. Was als Lohn für die geleisteten Dienste gezahlt wurde, blieb der freien Verhandlung der Beteiligten überlassen. Unter Berücksichtigung der Kost und Wohnung auf dem Hof war das aber in aller Regel weniger als die Hälfte dessen, was ein ungelernter Tagelöhner durch Gelegenheitsarbeit verdienen konnte. Auch ansonsten konnten sich Dienstboten nicht auf verbürgte Rechte berufen. Sie waren weitestgehend dem Wohlwollen oder der Willkür ihrer Herrschaft ausgeliefert. So verwundert es nicht, dass mit dem Aufkommen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten immer weniger junge Menschen die Neigung verspürten, sich als Knechte oder Mägde zu verdingen.

Vergebliche Suche nach Dienstboten

Mit der fortschreitenden Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert eröffneten sich auch für die jungen Menschen auf den Dörfern, die nicht auf einen eigenen Hof rechnen konnten, ganz neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Arbeit in den Fabriken, bei der Eisenbahn oder auf dem Bau war allemal attraktiver als sich bei einem Bauern als Dienstbote zu verdingen.

Um 1900 begegnet man daher nur noch selten einem Knecht auf einem Bauernhof in Güntersleben. Die wenigen Mägde für die Arbeit im Haus und Hof und zur Unterstützung bei der Kinderbetreuung kamen auch nicht mehr aus den Nachbargemeinden, sondern stammten fast alle aus dem Dorf selbst. Auswärtige Kräfte waren kaum noch zu bekommen. Am ehesten waren dazu noch die Gastwirte in der Lage, die vermutlich auch einen besseren Verdienst anbieten konnten.

1905 beklagte die Gemeinde bei Verhandlungen mit den Schulbehörden wegen der Ferienzeiten über den „fühlbaren Mangel“ an Dienstboten, weshalb die Bauern zur Erntezeit auf die Mithilfe ihrer Kinder dringend angewiesen seien. Wenn dabei auch auf die finanziellen Verhältnisse der Ortsbewohner hingewiesen wurde, so klingt dabei an, dass die Löhne, die von den Bauern ihren Dienstboten gezahlt wurden, nicht mehr konkurrenzfähig waren zu denen, die anderswo gezahlt wurden. Auch 1908 führt die Gemeinde in einem Bericht über die hohe Säuglingssterblichkeit in Güntersleben als eine der Ursachen die „Dienstbotennot“ an.

Wohl gab es bereits seit 1873 eine Kinderbewahranstalt in Güntersleben, in das die Kleinkinder, bevor sie schulpflichtig wurden, wochentags zur Betreuung gegeben werden konnten. Bei dem geringen Entgelt, das dafür zu zahlen war, wurde das Angebot auch gerne genutzt. Freilich waren damals auf einem Bauernhof die Arbeiten auf dem Hof, im Stall und bei der Vielzahl der Kinder auch im Haus so umfangreich, dass für die Bauersfrauen die Dienste einer „Viehmagd“ oder einer „Kindsmagd“ eine willkommene Entlastung bedeutet hätten, wenn denn solche Dienstboten zu bekommen gewesen wären.

Mit dem Ersten Weltkrieg wurde anderes wichtiger

Spätestens der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 setzte allen Bemühungen, dem Mangel an Dienstboten gegenzusteuern, ein abruptes Ende. Die jungen Männer wurden an die Front gerufen. Die Lücken, die sie auf ihrem eigenen oder dem elterlichen Hof hinterließen, mussten die weiblichen Familienmitglieder füllen, unterstützt allenfalls – wie später auch wieder im Zweiten Weltkrieg – durch Kriegsgefangene, die verwaisten Bauernhöfen zugewiesen wurden. Sich um Knechte oder Mägde von anderen Höfen zu bemühen, wurde daher völlig aussichtslos.

Mit der rasch voranschreitenden Technisierung in der Landwirtschaft bald nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Bauernfamilien in Güntersleben nur noch in den seltensten Fällen auf ständige Hilfskräfte angewiesen. Wo es saisonal doch immer einmal größeren Arbeitsanfall gab, boten sich dafür weibliche Arbeitskräfte aus dem Dorf an, die zu dieser Zeit üblicherweise neben ihren familiären Verpflichtungen kaum noch einer regulären Berufstätigkeit nachgingen und daher gerne gelegentlich bei einem Bauern etwas dazuverdienten.

Das neuere Phänomen der saisonalen Arbeitskräfte, die nicht mehr aus der näheren Umgebung, sondern aus Billiglohnländern im Osten kommen, kennt man in Güntersleben nicht. Große Betriebe mit Sonderkulturen wie Gurken oder Spargel, die trotz aller maschinellen Ausstattung nach wie vor auf eine große Zahl von Erntehelfern angewiesen sind, gibt es hier nicht.

Die Zeit der Dienstboten, Knechte und Mägde ist vorbei

Seit die letzten Knechte und Mägde – die es in Einzelfällen in Güntersleben bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts noch gab – die Höfe verlassen haben, sind auch die Begriffe Dienstboten und Knechte in ihrer ursprünglichen Bedeutung hierzulande aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Wenn es allerdings ums Babysitten geht, dann geht manchen Ortsbewohnern, die noch der heimischen Mundart mächtig sind, das „Kindsmahd machen“ nach wie vor leichter von der Zunge.

11/2025