Hauptsache ein Dach über dem Kopf

25. Februar 2024

Hauptsache ein Dach über dem Kopf

Eine Wohnung ohne Bad oder Dusche, ohne Kühlschrank, Waschmaschine oder Fernseher? Für Jüngere ist das heute kaum mehr vorstellbar, was für die meisten ihrer Großeltern ganz normal war.

Wenig Platz für große Familien

Vor zwei Generationen, also vor etwa 70 Jahren, wohnten in Güntersleben durchschnittlich doppelt so viele Menschen wie heute in einem Haus. Dabei waren die allermeisten Häuser sehr viel kleiner als wir sie kennen, hatten ganz überwiegend nur ein Stockwerk und ein Dachgeschoss, das oft nicht ausgebaut war, sondern für Lagerzwecke genutzt wurde. Man findet diese Häuser noch an den Straßen und Gassen im Altort, wenn auch immer seltener. In ihrer Mehrzahl wurden sie durch Anbauten vergrößert oder aufgestockt, um das Raumangebot den heutigen Erwartungen anzupassen. Weniger als 200 Wohnhäuser sind, bezogen auf ihre Größe, so geblieben, wie sie es schon in den 1950er Jahren waren. Alle anderen der heute etwa 1250 Wohnhäuser in Güntersleben wurden entweder später gebaut oder vergrößert.

Die Familien waren größer, aber sie mussten mit weniger Wohnfläche und weniger Wohnräumen auskommen. Es gab die Küche, zugleich Ess- und Aufenthaltsraum, angrenzend ein kleiner Vorratsraum, Speis genannt, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Kinderzimmer.

Das Wohnzimmer, die gute Stube, wurde nur selten genutzt, an den höchsten Feiertagen im Jahr und bei Familienfeiern. Kinderzimmer waren nur als Schlafräume und noch nicht als Spielzimmer eingerichtet. Für jedes Kind ein eigenes Zimmer, das scheiterte meist schon an der Zahl der Kinder; eher war es so, dass zwei Kinder in einem Bett schlafen mussten. Spielzeug war rar und an eigene Kinderbücher werden sich nur Wenige aus dieser Zeit erinnern. Es gab auch noch keine Bücherei im Dorf mit einem Angebot für Kinder vom ersten bis fortgeschrittenen Lesealter. Dafür hatten die Kinder der Nachkriegsjahrzehnte aber weit größere Spielflächen als heute. Auf dem Hof beim Haus gab es viel zu entdecken, auf der Straße konnten sie noch gefahrlos spielen und im Winter die Langgasse und andere abschüssige Dorfstraßen als Schlittenbahnen nutzen.

Kein Bad im Haus und Plumpsklo im Hof

Als 1950 eine neue Schule, das heutige Haus der Generationen, gebaut wurde, hatte der Architekt auch einen Raum für ein Brausebad eingeplant. Als besonders dringlich wurde diese für ein Dorf durchaus ungewohnte neuzeitliche Einrichtung aber nicht erachtet. Als das Bad 1955 endlich fertiggestellt war, sollte es nach einem Gemeinderatsbeschluss „für den Schulbetrieb jede Woche einen halben Tag und für die Einwohnerschaft ebenfalls jede Woche einen halben Tag“ freigegeben werden. Die Badegebühr für die Öffentlichkeit wurde auf 50 Pfennige festgesetzt. Die Skeptiker sollten recht behalten. Von Schulklassen wurde das Reinigungsbad nur selten genutzt. Für einen öffentlichen Badebetrieb war kein Interesse erkennbar.

Dabei hätte man schon erwarten können, dass es dafür Bedarf gab. Auch 1959 waren in Güntersleben von den annähernd 550 Wohnungen nur 140, also erst jede vierte, mit einem Bad ausgestattet. Für die Kleinkinder nutzte man die Wannen, die man für die Wäsche hatte. Wo auch Erwachsene hin und wieder die Annehmlichkeit eines heißen Bades genießen wollten, hatte man Badewannen aus Blech, die am Badetag in der Küche aufgestellt und mit warmem Wasser aus dem Waschkessel gefüllt wurden. Manche dieser Exemplare haben sich bis heute erhalten und können noch als Wasserbehälter in Gärten besichtigt werden.

Wo noch keine Toilette im Haus war, hatte man das sprichwörtliche Häuschen mit Herz im Hof. Es war meist eine Bretterbude in der Größe einer Telefonzelle neben der Jauchegrube, ohne Wasseranschluss und mit alten Zeitungen anstelle von Toilettenpapier bestückt. Vor allem im Winter erkennbar für einen längeren Aufenthalt nicht gerade einladend.

Wie immer, wenn erst einmal ein Anfang gemacht ist, sprach sich schnell herum, dass sanitäre Einrichtungen im Haus doch kein entbehrlicher Luxus sind. 1968 hatten auch in Güntersleben die meisten Wohnungen Bad und Toilette im Haus. In 65 Wohnungen fehlte aber nach wie vor ein Bad, oft auch, weil die baulichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Einrichtung fehlten.

Auch wenn eine Toilette im Haus war, stand in vielen Fällen weiterhin das Plumpsklo im Hof und wurde auch genutzt. Denn Trinkwasser für die Toilettenspülung zu ver(sch)wenden, das erschien schon damals nicht jedem angemessen oder auch einfach zu kostspielig.

Energiesparen auch ohne gesetzliche Vorgaben

Auch wenn Energiesparen noch nicht ein allgegenwärtiges Thema wie heute war, so war ein sparsamer Gebrauch von Strom, Wasser und anderen Ressourcen für viele Familien selbstverständlich, aus praktischen oder auch aus finanziellen Erwägungen.

1968 wurden noch zwei Drittel aller Wohnungen in Güntersleben mit Holz und Kohle geheizt, die allermeisten mit Einzelöfen. Regelmäßig geheizt wurde nur die Küche, und auch die nur tagsüber. Nachts erlosch das Feuer im Herd und musste am Morgen neu angezündet werden. Die Frauen, deren Aufgabe das in der Regel war, mussten sich erst einmal warm anziehen, bevor die Küche wieder einigermaßen wohnlich war. Zu den üblichen Diensten der heranwachsenden Kinder gehörte es, jeden Tag die Holzkiste oder den Kohlenkasten von neuem aufzufüllen. Das Bad wurde nur geheizt, wenn – herkömmlich am Samstag – Badetag war. An den anderen Tagen war Waschen in der Kälte und oft auch noch mit kaltem Wasser angesagt.

In einem Drittel der Wohnungen wurde um diese Zeit schon Heizöl verwendet, das bis zur Ölpreiskrise von 1973 sehr günstig zu beziehen war. Die Öfen in den einzelnen Räumen hatten Tanks, die immer wieder aufgefüllt werden mussten. Das war zwar bequemer als täglich Holz und Kohlen beizuschaffen, hatte aber auch seine Tücken. Spätestens dann registrierte das die Nase, wenn beim Nachfüllen ein paar Tropfen daneben gingen, was nur allzu leicht passieren konnte.

Nur jedes zehnte Wohnhaus hatte 1968 schon eine zentrale Heizungsanlage. Erst nach dem Anschluss Günterslebens an die Gasversorgung zehn Jahre später wurde diese zum allgemeinen Standard in den Häusern.

Auch vieles andere gab es noch nicht, was wir heute für unverzichtbar halten

Manchmal wundert man sich, was Statistiker alles ermitteln. Später wundert man sich oft noch mehr, was es zum Zeitpunkt ihrer Erhebungen schon gab oder noch nicht gab.

Schon ein Jahr nach Beginn der Fernsehsendungen in Bayern standen 1955 die ersten, damals noch sehr teuren, Fernsehgeräte in Günterslebener Wohnzimmern. Dabei hatte kaum ein Drittel der Haushalte überhaupt ein Radio, obwohl es die schon Jahrzehnte früher gab.

1957 hatten nur 18 der rund 500 Haushalte in Güntersleben einen Kühlschrank und dazu 3 Haushalte eine eigene Tiefkühltruhe. Umso begehrter waren deshalb die Fächer in den drei Gemeinschaftsgefrieranlagen, die um diese Zeit an verschiedenen Stellen im Dorf gebaut wurden.

Nur sechs Haushalte hatten um diese Zeit eine Waschmaschine. Die anderen behalfen sich mit einem Waschkessel oder sie brachten ihre Wäsche zur „Waschanchel“ in der Büttnergasse. Angela (Anchel) Feser hatte schon 1938 die Gewerbeerlaubnis für eine Wäscherei erhalten, die dann nach ihr seit 1965 auch noch ihre Tochter für einige Jahre fortführte. Seitdem konnte man auf den Straßen den mit Körben oder Wannen schwer beladenen Handwagen begegnen, mit denen Frauen oder Kinder die Wäsche zum Waschen beförderten. Was auf dem Handwagen noch Platz finden musste: Ein kleiner Holzvorrat aus dem eigenen häuslichen Bestand, denn die Waschzuber wurden mit Holz auf Temperatur gebracht.

In nur wenigen Jahrzehnten hat sich vieles verändert, vieles, was das Wohnen einfacher und angenehmer macht. Umso mehr lebt er fort: Der Traum vom eigenen Haus.

02/2024