Gemeinderatswahlen in Güntersleben seit 1946

5. Dezember 2021

Gemeinderatswahlen in Güntersleben seit 1946

 

Der Gemeinderat während der Nazi-Herrschaft

Der Günterslebener Gemeinderat hatte gerade drei seiner fünf Jahre dauernden Wahlperiode hinter sich, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 in Deutschland an die Macht kamen. Bei der vorerst letzten demokratischen Wahl im Dezember 1929 hatten die SPD drei und die konservative Bayerische Volkspartei (BVP) sieben Mandate errungen. Komplettiert wurde das 12-köpfige Gremium durch den Bürgermeister (SPD) und den Zweiten Bürgermeister (BVB). In der seit der Wahl unveränderten Besetzung tagte der Gemeinderat zum letzten Mal am 25. März 1933.

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Gemeinderat 1930

Nachdem es danach schon mehrere Veränderungen gegeben hatte, ordnete das Bezirksamt am 14. Juli 1933 „im Benehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP“ eine teilweise Neubesetzung des Gemeinderats an mit dem Ergebnis, dass jetzt sämtliche Mitglieder Parteigenossen (Pg) waren. Ausgeschieden waren die drei SPD-Mitglieder und ebenfalls drei BVP-Mitglieder, die nicht bereit waren, der NSDAP beizutreten.

Der Gemeinderat war nur noch Vollzugsorgan der Parteivorgaben. Schließlich bekam er jegliche Entscheidungsbefugnisse genommen. „Nach Beratung mit den Gemeinderäten beschließt der Bürgermeister“, lautete seit November 1935 die Einleitungsformel, mit der die Beschlüsse protokolliert wurden. Mit dem fortschreitenden Krieg trat der Gemeinderat kaum noch zusammen. Als der Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende war, gab es faktisch auch keinen Gemeinderat mehr in Güntersleben.

 

Neubeginn und erste Gemeindewahl nach dem Krieg

Seit September 1945 hatte Güntersleben wieder einen Gemeinderat. Die acht, später neun Mitglieder verdankten wie der Bürgermeister ihr Mandat aber nicht einer Wahl, sondern waren vom Landrat ernannt worden.

Am 26. Januar 1946 fanden zum ersten Mal wieder Gemeindewahlen nach demokratischen Grundsätzen statt. Auf dem Stimmzettel standen zwei Wahlvorschläge, ein gemeinsamer von SPD und KPD mit 10 Kandidaten und an zweiter Stelle der Vorschlag der CSU mit 14 Bewerber. Wählen konnte man nur zwischen den beiden Listen, eine Stimmabgabe für einzelne Bewerber war nicht möglich. Die Sitzverteilung erfolgte nach der Reihenfolge auf den Listen. Die Stimmenauszählung ergab 7 Sitze für die CSU und 3 für den Wahlvorschlag der SPD/KPD, wobei entsprechend den Listenplätzen zwei KPD-Mitglieder und nur ein SPD-Mann in den Gemeinderat einzogen.

  • Gemeinderatswahl 1946
      • CSU             68,0 %  =  7 Sitze
      • SPD/KPD    32,0 %  =  3 Sitze

 

Frauen kandidieren – werden aber nicht gewählt

Zur nächsten Gemeinderatswahl 1948 traten die drei Parteien getrennt mit eigenen Wahlvorschlägen an. Um die zehn Sitze im Gemeinderat bewarben sich 31 Männer und erstmals auch zwei Frauen, eine bei der SPD und eine bei der KPD. Beide schafften es aber nicht in den Gemeinderat. Es sollte 24 Jahre dauern, bis wieder eine Frau den Mut hatte, zu kandidieren, und nochmals weitere sechs Jahre, ehe 1978 die ersten zwei Frauen am Ratstisch Platz fanden.

  • Gemeinderatswahl 1948
    • CSU              41,8 %      =  4 Sitze
    • SPD              32,8 %      =  3 Sitze
    • KPD              25,4 %      =  3 Sitze

 

Seit der Wahl 1948 kann man nicht mehr nur eine Liste wählen, sondern sich die einzelnen Personen aussuchen, denen man seine Stimme gibt.

 

Aus Kommunisten werden Parteilose

Im November 1951 beantragte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der KPD. Obwohl das Urteil erst Jahre später kam, lösten die Kommunisten in Güntersleben vorausschauend ihren Ortsverband auf. Ihre Anhänger traten jetzt als Parteilose Wählergemeinschaft zu den Gemeindewahlen an, konnten aber nicht an ihre bisherigen Erfolge anknüpfen.

  • Gemeinderatswahl 1952
    • CSU                     48,5 %     =   5 Sitze
    • SPD                     32,5 %     =   3 Sitze
    • Parteilose WG     19,3 %     =   2 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 1956
    • CSU                     49,0 %     =  5 Sitze
    • SPD                     41,1 %     =  4 Sitze
    • Parteilose WG     9,9 %     =  1 Sitz

 

  • Gemeinderatswahl 1960
    • SPD                     49,5 %      =  5 Sitze
    • CSU                     40,9 %      =  4 Sitze
    • Parteilose WG     9,6 %      =  1 Sitz

 

Auch wenn die SPD jetzt stärkste Partei war, blieb die CSU zusammen mit dem Bürgermeister aus ihren Reihen die bestimmende Kraft im Gemeinderat.

  

Die Mehrheit wechselt

Nachdem die Parteilose Wählergemeinschaft nicht mehr genügend Bewerber für eine erfolgversprechende eigene Liste fand, traten ihre verbliebenen Anhänger, die sich inzwischen nicht mehr in der Nachfolge der früheren KPD sahen, als Freie Wählergemeinschaft (FWG) auf einer gemeinsamen Liste mit der CSU an. Das blieb aber ebenso eine kurzlebige Episode wie der Auftritt einer Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) bei der folgenden Wahl.

Die SPD, aus deren Reihen jetzt auch der 1. Bürgermeister kam, wurde für die nächsten 24 Jahre zur dominierenden Kraft im Gemeinderat.

  • Gemeinderatswahl 1966
    • SPD                63,0 %    = 6 Sitze
    • CSU/FWG      37,0 %    = 4 Sitze

 

Infolge der gestiegenen Einwohnerzahl erhöhte sich die Mandatszahl im Gemeinderat auf 14 Sitze.

  • Gemeinderatswahl 1972
    • SPD                58,5 %      = 8 Sitze
    • CSU                33,1 %      = 5 Sitze
    • UWG                8,4 %      = 1 Sitz

 

  • Gemeinderatswahl 1978
    • SPD                50,9 %      = 7 Sitze
    • CSU                49,1 %      = 7 Sitze

 

Nach einem erneuten Einwohnerzuwachs waren jetzt 16 Mandate zu vergeben.

  • Gemeinderatswahl 1984
    • SPD                56,5 %      = 9 Sitze
    • CSU                43,5 %      = 7 Sitze

 

Eine neue Wählergruppe mit erfolgreichem Start

1990 endete die Zeit im Gemeinderat, in der sich zwei politische Lager, nach der gängigen Farbenlehre schwarz und rot, gegenübersaßen, viele Jahre erst die einen und dann die anderen alleine über die Mehrheit der Stimmen verfügend, und damit eher auf Konfrontation als auf Zusammenarbeit ausgerichtet.

Eine neue Wählervereinigung unter dem Namen Unabhängige Bürger Güntersleben (UBG) hatte sich zum Ziel gesetzt, die bisher bestehende Polarisierung im Gemeinderat aufzubrechen – und traf damit offenbar die Stimmungslage in der Wählerschaft. Auf Anhieb errang sie die Hälfte der Sitze im Gemeinderat und verfügte jetzt ihrerseits mit dem Bürgermeister über eine absolute Mehrheit. Diese musste sie zwar bei der nächsten Wahl wieder abgeben, blieb aber seither die stärkste Fraktion im Gemeinderat.

  • Gemeinderatswahl 1990
    • UBG               44,7 %      = 8 Sitze
    • SPD                39,0 %      = 6 Sitze
    • CSU                16,3 %      = 2 Sitze
Gemeinderat 1990

Gemeinderat 1990

  • Gemeinderatswahl 1996
    • UBG               41,7 %      = 7 Sitze
    • SPD                36,9 %      = 6 Sitze
    • CSU                21,4 %      = 3 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2002
    • UBG               37,4 %      = 6 Sitze
    • SPD                32,0 %      = 5 Sitze
    • CSU                30,6 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2008
    • UBG               35,4 %      = 6 Sitze
    • CSU                34,0 %      = 5 Sitze
    • SPD                30,6 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2014
    • UBG               35,1 %      = 6 Sitze
    • CSU                34,8 %      = 5 Sitze
    • SPD                30,1 %      = 5 Sitze

 

  • Gemeinderatswahl 2020
    • UBG               40,4 %      = 7 Sitze
    • CSU                32,2 %      = 5 Sitze
    • SPD                27,5 %      = 4 Sitze

 

Seit 1996 hat keine Fraktion mehr im Gemeinderat alleine die Mehrheit. Wer seine Vorhaben voranbringen will, muss Mehrheiten über politische Grenzen hinaus suchen.

12/2021