Gemeinderatswahlen in Güntersleben seit 1946
Der Gemeinderat während der Nazi-Herrschaft
Der Günterslebener Gemeinderat hatte gerade drei seiner fünf Jahre dauernden Wahlperiode hinter sich, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 in Deutschland an die Macht kamen. Bei der vorerst letzten demokratischen Wahl im Dezember 1929 hatten die SPD drei und die konservative Bayerische Volkspartei (BVP) sieben Mandate errungen. Komplettiert wurde das 12-köpfige Gremium durch den Bürgermeister (SPD) und den Zweiten Bürgermeister (BVB). In der seit der Wahl unveränderten Besetzung tagte der Gemeinderat zum letzten Mal am 25. März 1933.
Nachdem es danach schon mehrere Veränderungen gegeben hatte, ordnete das Bezirksamt am 14. Juli 1933 „im Benehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP“ eine teilweise Neubesetzung des Gemeinderats an mit dem Ergebnis, dass jetzt sämtliche Mitglieder Parteigenossen (Pg) waren. Ausgeschieden waren die drei SPD-Mitglieder und ebenfalls drei BVP-Mitglieder, die nicht bereit waren, der NSDAP beizutreten.
Der Gemeinderat war nur noch Vollzugsorgan der Parteivorgaben. Schließlich bekam er jegliche Entscheidungsbefugnisse genommen. „Nach Beratung mit den Gemeinderäten beschließt der Bürgermeister“, lautete seit November 1935 die Einleitungsformel, mit der die Beschlüsse protokolliert wurden. Mit dem fortschreitenden Krieg trat der Gemeinderat kaum noch zusammen. Als der Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende war, gab es faktisch auch keinen Gemeinderat mehr in Güntersleben.
Neubeginn und erste Gemeindewahl nach dem Krieg
Seit September 1945 hatte Güntersleben wieder einen Gemeinderat. Die acht, später neun Mitglieder verdankten wie der Bürgermeister ihr Mandat aber nicht einer Wahl, sondern waren vom Landrat ernannt worden.
Am 26. Januar 1946 fanden zum ersten Mal wieder Gemeindewahlen nach demokratischen Grundsätzen statt. Auf dem Stimmzettel standen zwei Wahlvorschläge, ein gemeinsamer von SPD und KPD mit 10 Kandidaten und an zweiter Stelle der Vorschlag der CSU mit 14 Bewerber. Wählen konnte man nur zwischen den beiden Listen, eine Stimmabgabe für einzelne Bewerber war nicht möglich. Die Sitzverteilung erfolgte nach der Reihenfolge auf den Listen. Die Stimmenauszählung ergab 7 Sitze für die CSU und 3 für den Wahlvorschlag der SPD/KPD, wobei entsprechend den Listenplätzen zwei KPD-Mitglieder und nur ein SPD-Mann in den Gemeinderat einzogen.
- Gemeinderatswahl 1946
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- CSU 68,0 % = 7 Sitze
- SPD/KPD 32,0 % = 3 Sitze
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Frauen kandidieren – werden aber nicht gewählt
Zur nächsten Gemeinderatswahl 1948 traten die drei Parteien getrennt mit eigenen Wahlvorschlägen an. Um die zehn Sitze im Gemeinderat bewarben sich 31 Männer und erstmals auch zwei Frauen, eine bei der SPD und eine bei der KPD. Beide schafften es aber nicht in den Gemeinderat. Es sollte 24 Jahre dauern, bis wieder eine Frau den Mut hatte, zu kandidieren, und nochmals weitere sechs Jahre, ehe 1978 die ersten zwei Frauen am Ratstisch Platz fanden.
- Gemeinderatswahl 1948
- CSU 41,8 % = 4 Sitze
- SPD 32,8 % = 3 Sitze
- KPD 25,4 % = 3 Sitze
Seit der Wahl 1948 kann man nicht mehr nur eine Liste wählen, sondern sich die einzelnen Personen aussuchen, denen man seine Stimme gibt.
Aus Kommunisten werden Parteilose
Im November 1951 beantragte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der KPD. Obwohl das Urteil erst Jahre später kam, lösten die Kommunisten in Güntersleben vorausschauend ihren Ortsverband auf. Ihre Anhänger traten jetzt als Parteilose Wählergemeinschaft zu den Gemeindewahlen an, konnten aber nicht an ihre bisherigen Erfolge anknüpfen.
- Gemeinderatswahl 1952
- CSU 48,5 % = 5 Sitze
- SPD 32,5 % = 3 Sitze
- Parteilose WG 19,3 % = 2 Sitze
- CSU 48,5 % = 5 Sitze
- Gemeinderatswahl 1956
- CSU 49,0 % = 5 Sitze
- SPD 41,1 % = 4 Sitze
- Parteilose WG 9,9 % = 1 Sitz
- CSU 49,0 % = 5 Sitze
- Gemeinderatswahl 1960
- SPD 49,5 % = 5 Sitze
- CSU 40,9 % = 4 Sitze
- Parteilose WG 9,6 % = 1 Sitz
Auch wenn die SPD jetzt stärkste Partei war, blieb die CSU zusammen mit dem Bürgermeister aus ihren Reihen die bestimmende Kraft im Gemeinderat.
Die Mehrheit wechselt
Nachdem die Parteilose Wählergemeinschaft nicht mehr genügend Bewerber für eine erfolgversprechende eigene Liste fand, traten ihre verbliebenen Anhänger, die sich inzwischen nicht mehr in der Nachfolge der früheren KPD sahen, als Freie Wählergemeinschaft (FWG) auf einer gemeinsamen Liste mit der CSU an. Das blieb aber ebenso eine kurzlebige Episode wie der Auftritt einer Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) bei der folgenden Wahl.
Die SPD, aus deren Reihen jetzt auch der 1. Bürgermeister kam, wurde für die nächsten 24 Jahre zur dominierenden Kraft im Gemeinderat.
- Gemeinderatswahl 1966
- SPD 63,0 % = 6 Sitze
- CSU/FWG 37,0 % = 4 Sitze
Infolge der gestiegenen Einwohnerzahl erhöhte sich die Mandatszahl im Gemeinderat auf 14 Sitze.
- Gemeinderatswahl 1972
- SPD 58,5 % = 8 Sitze
- CSU 33,1 % = 5 Sitze
- UWG 8,4 % = 1 Sitz
- Gemeinderatswahl 1978
- SPD 50,9 % = 7 Sitze
- CSU 49,1 % = 7 Sitze
Nach einem erneuten Einwohnerzuwachs waren jetzt 16 Mandate zu vergeben.
- Gemeinderatswahl 1984
- SPD 56,5 % = 9 Sitze
- CSU 43,5 % = 7 Sitze
Eine neue Wählergruppe mit erfolgreichem Start
1990 endete die Zeit im Gemeinderat, in der sich zwei politische Lager, nach der gängigen Farbenlehre schwarz und rot, gegenübersaßen, viele Jahre erst die einen und dann die anderen alleine über die Mehrheit der Stimmen verfügend, und damit eher auf Konfrontation als auf Zusammenarbeit ausgerichtet.
Eine neue Wählervereinigung unter dem Namen Unabhängige Bürger Güntersleben (UBG) hatte sich zum Ziel gesetzt, die bisher bestehende Polarisierung im Gemeinderat aufzubrechen – und traf damit offenbar die Stimmungslage in der Wählerschaft. Auf Anhieb errang sie die Hälfte der Sitze im Gemeinderat und verfügte jetzt ihrerseits mit dem Bürgermeister über eine absolute Mehrheit. Diese musste sie zwar bei der nächsten Wahl wieder abgeben, blieb aber seither die stärkste Fraktion im Gemeinderat.
- Gemeinderatswahl 1990
- UBG 44,7 % = 8 Sitze
- SPD 39,0 % = 6 Sitze
- CSU 16,3 % = 2 Sitze
- Gemeinderatswahl 1996
- UBG 41,7 % = 7 Sitze
- SPD 36,9 % = 6 Sitze
- CSU 21,4 % = 3 Sitze
- Gemeinderatswahl 2002
- UBG 37,4 % = 6 Sitze
- SPD 32,0 % = 5 Sitze
- CSU 30,6 % = 5 Sitze
- Gemeinderatswahl 2008
- UBG 35,4 % = 6 Sitze
- CSU 34,0 % = 5 Sitze
- SPD 30,6 % = 5 Sitze
- Gemeinderatswahl 2014
- UBG 35,1 % = 6 Sitze
- CSU 34,8 % = 5 Sitze
- SPD 30,1 % = 5 Sitze
- Gemeinderatswahl 2020
- UBG 40,4 % = 7 Sitze
- CSU 32,2 % = 5 Sitze
- SPD 27,5 % = 4 Sitze
Seit 1996 hat keine Fraktion mehr im Gemeinderat alleine die Mehrheit. Wer seine Vorhaben voranbringen will, muss Mehrheiten über politische Grenzen hinaus suchen.
12/2021