Die Ziegelhütte
Bei der Suche nach dem ältesten und beständigsten Unternehmen in privater Hand, das es in Güntersleben jemals gab, stößt man auf die Ziegelhütte. Über 300 Jahre und wahrscheinlich noch länger war sie in Betrieb.
Aus der Ortsbeschreibung des Amtes Arnstein von 1594 erfahren wir, dass es damals in Güntersleben die Ziegelhütte schon gab. Sie wird allerdings nur beiläufig erwähnt und erscheint nicht wie die Schmiede oder die Mühle in der Liste der „Gemeinen Häuser“. Sie war also keine Einrichtung der Gemeinde. Besitzer waren zu dieser Zeit Jodokus und Markus Lohngott, vermutlich zwei Brüder, wie die Matrikelbücher der Pfarrei ausweisen.
Der Aufbau einer Ziegelei von der Art, wie sie in Güntersleben bestand, war nicht mit allzu großem Aufwand verbunden. Auch ihre Betriebsanlagen waren bescheiden. Deshalb gab es für die Gemeinde keine Veranlassung, dabei selbst aktiv zu werden. Sie konnte die Einrichtung und den Betrieb getrost dem Unternehmergeist Privater überlassen.
Die Günterslebener Ziegelhütte stand, etwas abgelegen vom damaligen Ortsbereich, jenseits der Brücke über den Dürrbach, wo der nach ihr benannte Ziegelhüttenweg in die Rimparer Straße einmündet. Ihre ganze Einrichtung bestand nach der Beschreibung der letzten Augenzeugen aus dem Brennschacht und einer Trockenhalle. Der Brennschacht war eine mehrere Meter tiefe Grube, in die in der Art eines Kamins zuunterst mehrere Lagen Kalksteine aus den hiesigen Steinbrüchen und darüber die zuvor aus einem Lehmgemisch geformten und getrockneten – oft über 1000 – Ziegelsteine aufgeschichtet wurden. An der Sohle hatten der Brennschacht und der Kamin eine Öffnung, das sogenannte Schürloch, durch das man die Holzscheite für das Feuer einschieben konnte. Dreieinhalb Tage und Nächte musste das Feuer ununterbrochen brennen. Nach dem Abkühlen konnte der Ziegler dann den ausgebrannten Kalk für die Herstellung von Maurermörtel und die gebrannten Ziegelsteine, hierorts auch Backsteine genannt, aus der Grube herausholen.
Voraussetzung für eine Ziegelbrennerei war, dass man möglichst am Ort das geeignete Rohmaterial fand. Lehmhaltige Böden gibt es in Güntersleben nur an wenigen Stellen. An eine davon erinnert die Straße „An der Lehmgrube“. Dort in der Nähe gruben die Ziegler den Lehm aus, aus dem sie unter reichlicher Zugabe von Wasser das Gemisch für die Herstellung der Ziegelsteine kneteten. Die Masse wurde in einer Erdmulde mittels Fußarbeit so lange durchgetreten, bis sie zum Einfüllen in die Holzrahmen als Form für die späteren Ziegelsteine geschmeidig genug war.
Wie man das auch von anderen Betrieben kennt, gab es in der langen Unternehmensgeschichte der Ziegelhütte Höhen und Tiefen. 1818 kam es zu einer Zwangsversteigerung. Den Zuschlag sicherte sich einer der jüdischen Händler aus Rimpar, die auch sonst bei Grundstücksgeschäften und Viehverkäufen in Güntersleben viel unterwegs waren (was ihre Beliebtheit bei der Bevölkerung nicht unbedingt steigerte). Der Steigerer verkaufte die Ziegelhütte bald darauf wieder, wohl nicht ohne Zwischengewinn, an einen Sohn des Vorbesitzers. Der war dann so erfolgreich, dass er um die Mitte des 19. Jahrhunderts der zweitgrößte Gewerbesteuerzahler in Güntersleben war. Ihm kam dabei zugute, dass zu der Zeit viel gebaut wurde, wohingegen zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung die blanke Not in Güntersleben herrschte.
Zur Unternehmensgeschichte der Ziegelhütte gehört auch ein tragischer Betriebsunfall. 1874 stürzte der 54-jährige Maurermeister Michael Keupp in die Brenngrube und verletzte sich dabei so schwer, dass er an den Folgen des Sturzes starb.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden im Umkreis größere Fabriken für die Herstellung von Ziegelprodukten. Mit denen konnte die Ziegelei in Güntersleben nicht konkurrieren und wurde unrentabel. 1911 war der Brennofen zum letzten Mal in Betrieb. Nicht einmal Spuren ihrer Existenz sind heute von der Ziegelhütte noch zu sehen. Nur der seit 1963 nach ihr benannte Ziegelhüttenweg erinnert noch daran, dass es sie gab und wo sie einstmals stand.
04/2022