Schulferien – seit wann und wofür
Gleich lang, aber nicht gleichzeitig
Sechs Wochen im Sommer und dazu mehrere kleinere Blöcke das Jahr über. Ergibt zusammen 63 Ferientage für die Schülerinnen und Schüler in Deutschland, aber nicht für alle zur gleichen Zeit. Denn wann die Ferien jeweils beginnen und enden, bestimmt jedes Bundesland für sich. Ausgenommen sind die großen Sommerferien. Für die gibt es seit 1971 eine Vereinbarung zwischen den Schulbehörden der Länder. Um die Reisezeiten und die Belegung der Urlaubsquartiere zu entzerren, einigte man sich auf eine Art rotierendes System, wonach die Länder im jährlichen Wechsel zu unterschiedlichen Zeiten ab Mitte Juni mit den großen Ferien beginnen. Nur Bayern und Baden-Württemberg nehmen an dieser Rotation nicht teil und belegen unverändert den letzten der festgelegten Ferienblöcke ab Ende Juli oder Anfang August. In anderen Bundesländern stehen da die Kinder schon wieder vor dem ersten Schultag des neuen Schuljahres.
Gefühlt kaum weniger lang, seit es diese Festlegung gibt, flammt mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr im Sommer von neuem die Diskussion darüber auf, warum Bayern und Baden-Württemberg diese von manchen anderen Bundesländern so empfundene Bevorzugung für sich in Anspruch nehmen. So auch heuer wieder. Worauf der bayerische Ministerpräsident flugs erklärte, daran werde nichts geändert, das sei „sozusagen fest in der DNA der Bayern drin“. Eine medizinische Erklärung dafür gab er nicht. Ende der Diskussion.
Es blieb dem früheren bayerischen Kultusminister Hans Maier vorbehalten, etwas zur Entstehung der Regelung zu sagen. Er war 1971, als darüber verhandelt wurde, Vorsitzender der Kultusministerkonferenz der (westdeutschen) Länder. Nach seinen Erinnerungen wollte kein Bundesland den letzten Ferienzeitraum übernehmen, weil es im August und September schon zu kalt sein könnte, was man heute kaum noch glauben möchte. Aber so war es wohl, wie er der Süddeutschen Zeitung anvertraute. Daraufhin hätten sich Bayern und Baden-Württemberg bereiterklärt, an den Schluss zu gehen, wenn sie dafür vom jährlichen Wechsel ausgenommen würden. Außerdem sind Bayern und Baden-Württemberg die einzigen Bundesländer, in denen es Pfingstferien gibt. In Jahren, in denen diese sehr spät sind, gäbe es bei einem frühen Beginn der Sommerferien bis dahin kaum noch einen pädagogisch vernünftigen Lern- und Prüfungszeitraum.
Erst einmal Schule und keine Ferien
Dass Kinder hin und wieder Ferien zur Erholung vom Schulalltag brauchen, ist in Bauerndörfern, wie Güntersleben eines war, ein vergleichsweise junges Thema. Als die ersten Dorfschulen eingerichtet wurden – in Güntersleben schon vor 1600 unter der Obhut der Pfarrer aus dem Würzburger Stephanskloster – ging es erst einmal darum, die Bauern so weit zu bringen, dass sie ihre Kinder überhaupt in die Schule schickten. Von Ferien war da noch keine Rede.
Im Winter, wenn auf den Höfen die Arbeit ruhte, bestand wohl noch am ehesten Verständnis für einen geregelten Schulbesuch der Kinder. Dagegen war in der Vegetations- und Erntezeit im Sommer und Herbst die Bereitschaft, die Kinder in die Schule zu schicken und währenddessen auf ihre Mithilfe auf dem Hof und bei der Feldarbeit zu verzichten, längst nicht bei allen vorhanden.
Wie bei Ignatius Gropp nachzulesen ist, sah sich der Fürstbischof 1752 wie schon früher wieder einmal zu einem „Befehl“ veranlasst, dass auch im Sommer täglich wenigstens eine Stunde Unterricht zu halten sei, „damit die Jugend im Sommer nicht alles vergesse, was sie im Winter gelernt“ habe. Offenbar zeigten aber auch diese „Befehle“ von ganz oben nur eine begrenzte Wirkung, weil sie alle paar Jahre wiederholt werden mussten. Immerhin wurde zugestanden, dass der Unterricht „nach des Orts Beschaffenheit … zu bequemen Stunden“ abgehalten werden konnte. In Güntersleben wurde das in der Weise umgesetzt, dass um 1830 der Schulunterricht im Sommer früh um sechs Uhr begann und – mit einer Stunde Gottesdienst dazwischen – um neun Uhr endete. Damit konnten die Kinder noch die größte Zeit des Tages für häusliche Arbeiten eingesetzt werden.
Unterrichtsvakanzen
Für das Jahr 1823 werden erstmals in den Schulprotokollen von Güntersleben unterrichtsfreie Zeiten aufgeführt. Und zwar eine „Erntevakanz“ vom 21. Juli bis 14. August und eine „Herbstvakanz“ vom 7. Oktober bis 10. November. Letztere sollte eigentlich nicht so lange dauern, wurde aber „wegen der späten Herbstlese … bei der die Eltern ihre Kinder noch nötig hätten“ und weil „auch der I. Lehrer seinen Weinberg in Unterdürrbach noch abzulesen hätte“, nachträglich um eine Woche verlängert.
Dem uns dafür heute geläufigen Begriff Ferien begegnet man in den Protokollbüchern in diesem Zusammenhang noch nicht. Unter Ferien, abgeleitet vom lateinischen feriae, verstand man damals Festtage, vor allem kirchliche Feiertage, an denen nur unumgängliche Arbeiten auf dem Hof erledigt wurden. Unterrichtsvakanzen dienten im Gegenteil dazu, den ungehinderten Einsatz der Kinder zu den Zeiten zu ermöglichen, bei denen sie vor allem gebraucht wurden, bei der Getreideernte im Sommer und bei der Kartoffelernte und der Weinlese im Herbst.
Osterferien und Weihnachtsferien
Dass 1840 zusätzlich zu den schulfreien Zeiten zur Ernte und zum Herbst jetzt auch sechs Tage Ferien zu Ostern eingeführt wurden, kann man als ersten vorsichtigen Schritt in die Richtung verstehen, dass nicht mehr allein der Arbeitsablauf des Bauernjahres der Maßstab dafür blieb, wann Schule stattfinden konnte oder zurückstehen musste. Darauf deutet auch hin, dass jetzt der Begriff Ferien für alle unterrichtsfreien Abschnitte im Jahreslauf gebraucht wurde. Von unserem heutigen Verständnis vom Sinn und Zweck der Schulferien war man aber da noch weit entfernt.
Nicht nur, dass zwischenzeitlich die Osterferien wieder abgeschafft wurden. Als die staatliche Schulaufsicht 1896 die Herbstferien für acht Tage Weihnachtsferien verkürzen wollte, wehrte sich die Gemeinde Güntersleben mit aller Entschiedenheit dagegen. Sie richtete an die hohe kgl. Regierung „die untertänigst gehorsamste Bitte …, dass für die freigestellten 8 Tage an Weihnachten 8 Tage Ferien im Oktober zur Weinlese gegeben werden dürfen, wie dies bisher üblich war, da die Leute ihre Kinder an diesen Tagen sehr notwendig brauchen und an einen gedeihlichen Unterricht nicht zu denken ist, da das Sinnen und Trachten der Kinder nur bei der Weinlese ist.“
Während in den meisten umliegenden Gemeinden Weihnachts- und Osterferien mittlerweile selbstverständlich waren, wollte man in Güntersleben immer noch nichts davon wissen. Dafür die Ernteferien im Sommer und die Herbstferien zu kürzen, lehnte die Gemeinde weiter ab und verwies dazu auf die örtlichen Verhältnisse. Die beschrieb sie in einem Bericht an das Bezirksamt vom März 1914 so: „Die hiesige Bevölkerung besteht aus Bauers- und Arbeitsleuten. Dienstboten kann man sich hier nicht halten, da der Gemeindebesitz nicht so ausgedehnt ist und zu gewöhnlicher Zeit die Arbeiten sich durch eigene Kräfte verrichten lassen. Zur Zeit der Getreide- und Kartoffelernte und des Einheimsens der übrigen Feldfrüchte und des Dreschens ist man hier unbedingt auf die Mithilfe der Kinder angewiesen, da zu dieser außerordentlichen Zeit sich keine fremden Hilfskräfte finden lassen. Würden die Ferien gekürzt, so müßte dann sicher fast in allen Familien Dispens erholt werden teils für die Feldarbeiten teils auch für die Überwachung der kleinen Geschwister, was gewiß dem gedeihlichen Unterrichtsbetriebe nicht förderlich wäre.“
Ein halbes Jahr später brach der Erste Weltkrieg aus. In den Kriegsjahren und der folgenden schwierigen Nachkriegszeit, als auf vielen Höfen die männlichen Arbeitskräfte fehlten und die Schülerinnen und Schüler mehr denn je zur Mitarbeit auf dem Feld und im Haushalt gebraucht wurden, dachte niemand mehr an eine Veränderung der Ferienzeiten.
Erst in den 1930er Jahren gab es eine neue Ferienordnung, in der neben den gewohnten, aber jetzt mit jeweils drei bis vier Wochen etwas kürzeren Sommer- und Herbstferien auch jeweils eine Woche Ferien zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten vorgesehen waren.
Das Ende der Kartoffelferien
Bis 1940 begann das Schuljahr immer nach Ostern. Das erste Halbjahr bis Allerheiligen nannte man auch Sommerschule. Danach folgte mit dem zweiten Halbjahr die Winterschule bis zum Schuljahresende an Ostern.
1941 wurde der Beginn des Schuljahres wie vieles andere unter den damaligen Machthabern in Deutschland vereinheitlicht und auf die Zeit nach den Ernte- oder Sommerferien verschoben, wie wir das bis heute kennen. Unverändert blieb es aber noch für einige Jahrzehnte bei den getrennten Ernteferien im Sommer und den ebenfalls mehrwöchigen Herbstferien Mitte oder Ende September bis in den Oktober. Nachdem der Weinbau in Güntersleben nicht mehr seine frühere Bedeutung hatte, wurden aus den Herbstferien im örtlichen Sprachgebrauch die Kartoffelferien. Mit mehr als 200 Hektar Anbaufläche waren um 1950 auf nahezu einem Fünftel der Günterslebener Feldflur Kartoffelfelder. Zum Einsammeln der Knollen bei der Ernte wurden viele Hände, auch die der Schulkinder, gebraucht.
Spätestens seit 1958 gab es zwar, nicht zuletzt von Seiten der Lehrerschaft, jedes Jahr neue Anläufe, die zweigeteilten Sommer- und Herbstferien zusammenzulegen, was aber regelmäßig von der Elternvertretung, damals Schulpflegschaft geheißen, zurückgewiesen wurde. Erst im November 1964 fand sich eine Mehrheit für ungeteilte Sommerferien. Zur Begründung findet sich im Protokoll nur die lapidare Feststellung: „Die Kinder werden zur Feldarbeit nicht mehr gebraucht.“ So einheitlich war freilich das Meinungsbild in der Sitzung der Schulpflegschaft nicht, denn mit acht gegen vier Stimmen kam nur ein Mehrheitsbeschluss zustande.
Schulferien heute
Niemand bringt heute noch die Schulferien mit dem in Verbindung, wofür sie ursprünglich bestimmt waren. Erholung und Abstand vom Schulalltag und schulischen Leistungsdruck für die Schülerinnen und Schüler ebenso wie für die Eltern stehen heute im Vordergrund. Auch für die Geschichte der Schulferien gilt: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Daher wird man auch kaum darauf vertrauen dürfen, dass die heutige Ferienordnung zur DNA, also zum unveränderlichen Erbgut, der Bayern gehört.
08/2025