Dorfmusik – Kirchenmusik – Tanzmusik

15. Oktober 2022

Dorfmusik – Kirchenmusik – Tanzmusik

Erste Nachrichten

Die frühesten Hinweise auf Musikanten in Güntersleben finden wir in den Matrikelbüchern der Pfarrei, in die seit 1592 Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle eingetragen wurden. 1606 stoßen wir darin auf den „fidicen“ Nikolaus Arnold, einige Jahre darauf auch als „celisti“ bezeichnet. 1613 begegnet uns mit Nikolaus Stock ein weiterer „fidicen“. Beide aus dem Lateinischen abgeleiteten Begriffe lassen sich mit Fiedel- oder Lautenspieler übersetzen. Die Fiedel war ein Streichinstrument, ähnlich einer Geige, und die Laute ein Zupfinstrument. Dass mit den Namen der beiden Männer auch deren Freizeitbeschäftigungen, die es wohl waren, Eingang in die amtlichen Kirchenbücher fanden, deutet darauf hin, dass es nur selten Ortsbewohner gab, die ein Musikinstrument spielten. Anzunehmen ist danach auch, dass sie damit nicht nur im Familienkreis, sondern auch öffentlich, wohl vornehmlich bei gottesdienstlichen Veranstaltungen, auftraten.

Spätestens um 1700 gab es in der Kirche in Güntersleben eine Orgel. Es ist die erste von vier uns bekannten Kirchenorgeln seither. „Die Orgel schlagen“, wie man früher zu sagen pflegte, war bis in die jüngste Vergangenheit Sache der Lehrer.

Kirchenmusik und Dorfmusik

Seit 1724 weisen die Gemeinderechnungen regelmäßig Ausgaben aus, um den „Musikanten für Prozessionen mit ihren Instrumenten aufzuwarten“, sowie Zahlungen „für Zehrung“ der Musiker bei der Fährbrücker Wallfahrt. Später kamen auch Ausgaben für die Musikanten „am Maternustag“ hinzu. Es gab also zu dieser Zeit schon eine Musikergruppe, die ähnlich wie heute als Kapelle auftrat. Nähere Angaben über die Anzahl der Musiker und deren Instrumente haben wir aus dieser Zeit nicht. Fest steht damit aber, dass am Beginn einer Musikkapelle in Güntersleben und wohl für lange Zeit auch ausschließlich Kirchenmusik stand.

1824 enthält die Gemeinderechnung zum ersten Mal Angaben über die Größe der Musikkapelle. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Thronjubiläum des Königs von Bayern ist von „den 14 Ortsmusikanten“ die Rede. Ob es sich bei den ausgewiesenen Aufwendungen in der Gemeinderechnung um finanzielle Zuwendungen oder wahrscheinlich eher um die Kosten der Verpflegung handelte, ist nicht näher belegt.

Viel verdienen konnte man bei der Musikkapelle auch früher nicht. Dabei waren Musikinstrumente schon immer teuer und nicht jeder konnte sich eines leisten. Daher hielt die Gemeinde gemeinsam mit der Pfarrei für die Kirchenmusik einen Bestand an Instrumenten vor. Das waren 1843 zwei Trompeten, zwei Hörner, sechs Klarinetten, zwei Violinen und eine Viola. 1857 kamen noch eine Tuba und 1877 zwei Pauken hinzu.

Außer bei festlichen Anlässen in der Kirche und den seltenen Festivitäten der Gemeinde war die Musikkapelle regelmäßig bei den damals häufigen Prozessionen im Dorf und durch die Flur sowie bei den Wallfahrten nach Fährbrück, Veitshöchheim, Retzbach und Retzstadt im Einsatz.

1876 werden in der Namensliste der 19 Musikanten, die die Flurprozession begleiteten, auch vier weibliche Mitglieder aufgeführt.

Im beginnenden 20. Jahrhundert trat die Musikkapelle nur noch selten in dieser Stärke auf. Bedingt auch durch Einberufungen zählte sie 1918 nur noch 9 Mitglieder. Frauen waren darunter schon lange nicht mehr und auch danach bis in die 1980er Jahre nicht mehr zu finden.

In ihrer kleineren Besetzung überstand die Musikkapelle auch die unruhigen Zeiten am Ende des Ersten Weltkriegs und absolvierte ihre gewohnten Auftritte. Nach der Erinnerung früherer Musikanten wurde wohl auch in den 1920er Jahren die Idee geboren, vom damals noch unbebauten Heulenberg mit einem Weckruf zu früher Stunde den Pfingstmontag anzublasen. Daraus entstand eine feste Tradition, die mit Unterbrechungen bis heute fortgeführt wird.

Zahlenmäßig blieb die Musikkapelle eine überschaubare Gruppe. Neun Mitglieder zählte sie 1939, bevor mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auch die Möglichkeiten des gemeinsamen Musizierens dahinschwanden. Auftritte wurden immer seltener und bei Prozessionen und Wallfahrten schließlich ganz verboten.

Nach Kriegsende formierte sich bald wieder eine neue Gruppe, bestehend aus vier Mitgliedern der früheren Kapelle und jungen Männern, die sich das Spielen selbst oder unter Anleitung erfahrener Kollegen beibrachten. Instrumente und Noten wurden im Tausch gegen Lebensmittel beschafft.

In nur wenig veränderter Zusammensetzung bestand diese Musikkapelle mit 12 bis 15 Mitgliedern die folgenden Jahrzehnte. Um 1970 versuchte die Truppe unter ihrem Leiter Ewald Fleder und seinem Nachfolger Dieter Schmidt, mit der Bildung einer Jugendkapelle den künftigen Nachwuchs zu sichern, was aber nur in begrenztem Umfang gelang. Zunehmend öfter konnte man hören, dass sich die Zeit einer örtlichen Musikkapelle wohl absehbar dem Ende zuneige.

Bevor es aber so weit war, wurde 1992 der Musikverein ins Leben gerufen. Mit heute über 500 – überwiegend nicht selbst musizierenden – Mitgliedern bildet er eine stabile organisatorische Basis, die vordem fehlte. Mit einer geregelten Ausbildung und Nachwuchsförderung und daraus folgend dem Aufbau leistungsfähiger Klangkörper, deren Auftritte immer wieder ein begeistertes Publikum finden, muss man um den weiteren Bestand einer Musikkapelle in Güntersleben keine Sorge mehr haben.

Tanzmusik

Von öffentlichen Tanzmusiken in Güntersleben hören wir zuerst in Verbindung mit der Kirchweih, die früher oft über mehrere Tage groß gefeiert wurde. Pfarrer Ignatius Gropp beklagt 1754, dass man mit dem Tanz am Abend „so lang anhalte, daß folgenden Tags wegen schweren Köpffen wenig von jungen Leuthen zur Procession erscheinen.“ Wie viele Musikanten mit welchen Instrumenten dabei aufspielten, wissen wir nicht.

Tanzvergnügungen waren noch im gesamten 19. Jahrhundert von der Obrigkeit nicht gern gesehen und streng reglementiert. Genehmigungen wurden den Gastwirten außer zur Kirchweih zunächst nur für die Fastnachtstage erteilt. So wurden denn auch im Juni 1820 zwei Musikusse, wie sie im Vernehmungsprotokoll bezeichnet werden, zur Rechenschaft gezogen, weil sie außer der Zeit in der Hirschenwirtschaft zur Tanzmusik aufspielten.

Es waren wohl zumeist einzelne Musiker, die sich zur Tanzmusik zusammenfanden, und nicht die Kapelle, die bei der Kirchenmusik zum Einsatz kam. Bei den herrschenden Vorbehalten gegen Tanzmusiken verwundert es dann auch nicht, wenn die Wirtshausmusikanten ein amtliches Führungszeugnis benötigten, das ihnen einen untadeligen Lebenswandel bescheinigte. 1845 erhielten 11 Musiker ein solches von der Ortsbehörde ausgestellt, was darauf hindeutet, dass es gar nicht so wenige waren, die sich nebenbei als Musiker beweisen oder auch ein kleines Zusatzeinkommen sichern wollten.

1886 meldeten 18 Personen in Güntersleben eine gewerbliche Nebentätigkeit als Musiker an. Nur einige, aber längst nicht alle gehörten auch der Musikkapelle an. Auch hier ging es wohl um Tanzmusik.

Als nach dem Ersten Weltkrieg die gesetzlichen Vorgaben gelockert wurden und neben den Gastwirten auch die größeren Vereine zu unterschiedlichen Zeiten das Jahr über Tanzmusiken abhielten, war es dann meist die Musikkapelle, die den musikalischen Part übernahm.

Auch die nach dem Zweiten Weltkrieg neu ins Leben gerufene Musikkapelle spielte jahrelang neben ihren Auftritten in der Gemeinde und zu kirchlichen Veranstaltungen auch bei Tanzmusiken, wobei die Musiker anfangs mit einer guten Brotzeit und Freigetränken als Gage zufrieden waren. In den 1960er Jahren übernahmen dann örtliche Bands wie die Backstubenband, die Breunigs und die Collys die Tanzmusiken für die folgenden zwei Jahrzehnte. Seitdem es diese Formationen nicht mehr gibt, treten bei den – immer seltener gewordenen – Tanzveranstaltungen im Ort nahezu ausschließlich außerörtliche Bands auf. Für die Orchester des Musikvereins sind Veranstaltungen dieser Art kein Betätigungsfeld.

10/2022