Der lange Weg zu einem Gemeindewappen

1. Mai 2023

Der lange Weg zu einem Gemeindewappen

Gut Ding will Weile haben. Wer könnte eingedenk dieser Volksweisheit bezweifeln, dass das Wappen der Gemeinde Güntersleben ein „gut Ding“ geworden ist? Brauchte der Gemeinderat doch über 30 Jahre, bis er sich nach wiederholten Anläufen für einen Vorschlag entscheiden konnte. Erst 1987 hat Güntersleben daher als eine der letzten Gemeinden im Landkreis Würzburg ein eigenes Wappen bekommen.

Das Recht, ein eigenes Wappen zu führen, wurde im Königreich Bayern, dem Güntersleben seit 1814 zugehörte, nur Städten und Märkten verliehen. Erst 1928 wurden auch die Landgemeinden als wappenfähig angesehen. Mit der Gemeindeordnung von 1952 erhielten die Gemeinden die Befugnis, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ein Wappen wollen und wie dieses gestaltet sein soll. Sie müssen sich dabei lediglich von den staatlichen Fachbehörden beraten lassen.

Bald nach dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung forderte das Landratsamt Würzburg seine Gemeinden auf, sich mit der Frage zu befassen, ob sie sich ein Wappen zulegen wollen oder weiterhin das Staatswappen in ihren Dienstsiegeln führen wollen. Der Gemeinderat von Güntersleben war wohl der Ansicht, dass es zu dieser Zeit dringlichere Angelegenheiten gebe. So heißt es dann auch im Sitzungsprotokoll vom 5. Oktober 1955 ganz lapidar: Die Anschaffung eines Gemeindewappens und einer Amtskette für den Bürgermeister wurde ohne Diskussion einstimmig abgelehnt.

Als der Landrat ein paar Jahre später das Thema erneut zur Sprache brachte, beschloss der Günterslebener Gemeinderat am 17. Januar 1957, dass der Bürgermeister erst einmal Erkundungen über die hierbei anfallenden Kosten einholen solle. Dann schien alles ganz schnell zu gehen, denn schon im Protokoll der nächsten Sitzung ist zu lesen: Die Beschaffung eines gemeindlichen Wappens wurde beschlossen. Das Staatsarchiv Würzburg soll die geschichtlichen Grundlagen für das Wappen skizzieren und vorschlagen.

Vom Staatsarchiv kam dann auch ein Vorschlag, der den Gemeinderat aber nicht so recht überzeugte, wie das Sitzungsprotokoll vom 11. Mai 1957 zum Ausdruck bringt: Die Skizze entsprach nicht den Erwartungen und es sollen Verbesserungen daran vorgenommen werden.

Dazu kam es jedoch nicht, vielmehr ließ man jetzt von dem örtlichen Grafiker Karl Weißenberger einen Entwurf fertigen. Der fand zwar Gefallen bei den Gemeinderäten, wurde aber vom Landratsamt abgelehnt. Das empfahl, den Entwurf des Staatsarchivs zu übernehmen. Dazu heißt es dann im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 2. November 1957: Da der Gemeinderat diesem Vorschlag nicht zustimmen konnte, wurde beschlossen, vorerst nochmals die Anschaffung eines Gemeindewappens zurückzustellen.

Für den Gemeinderat in seiner damaligen Besetzung war das Thema damit erledigt. Erst der 1960 neu gewählte Gemeinderat nahm sich der Sache dann wieder an, aber nur, um am 13. Dezember 1963 zu beschließen: Dieser Punkt wird neuerdings zurückgestellt, da eine Anzahl von Gemeinderäten dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen kann und im Gemeindewappen eine andere Darstellung wünscht. Es handelte sich dabei offenbar um den unveränderten Entwurf des Staatsarchivs von 1957.

Nahezu ein Vierteljahrhundert verging, fast alle Gemeinden im Umkreis hatten inzwischen ein eigenes Wappen, bis dann die Feuerwehr dem Gemeinderat Druck machte. Sie wollte zu ihrem bevorstehenden 100-jährigen Gründungsfest im Sommer 1988 endlich auch – wie die Nachbarfeuerwehren – ein Gemeindewappen auf ihren Uniformen haben. Zum Glück meldete sie sich mit ihrem Anliegen schon zwei Jahre vor dem Jubiläum. Denn auch dieses Mal tat sich der Gemeinderat mit einer Entscheidung schwer. Mehr als ein Dutzend Entwürfe musste der Grafiker Ossi Krapf aus Rottendorf vorlegen und länger als ein halbes Jahr zogen sich die Diskussionen im Gemeinderat hin, ohne dass man sich letztendlich auf einen Entwurf einigen konnte. Die Entscheidung fiel am 12. Mai 1987. Mit acht gegen sieben Stimmen wählte der Gemeinderat unter den beiden zuletzt favorisierten Entwürfen das Wappen, das seither die Gemeinde führt. Wie damals so oft, wurde auch bei dieser Entscheidung strikt nach der Parteizugehörigkeit abgestimmt.

Die amtliche Beschreibung des Gemeindewappens lautet: Unter rotem Schildhaupt, darin drei silberne Spitzen, in Blau zwei schräg gekreuzte goldene Abts- bzw. Bischofsstäbe, unterlegt von einer silbernen Kette; im oberen Winkel ein silbernes Ahornblatt, im unteren eine goldene Weintraube.

Die so beschriebenen einzelnen Elemente des Wappens stehen symbolisch für die geschichtliche Entwicklung und örtliche Besonderheiten Günterslebens. Die silbernen Spitzen, bekannt auch als fränkischer Rechen, sind dem Wappen des Fürstbistums Würzburg entnommen, das bis zur Säkularisation 1803 die staatlichen Herrschaftsbefugnisse über Güntersleben wahrnahm. Die beiden gekreuzten Bischofs- bzw. Abtsstäbe stehen für den Kirchenpatron Maternus und das Kloster St. Stephan, das Güntersleben bis zum erwähnten Jahr seelsorglich betreute. Die Kette nimmt die Legende auf, wonach ein auf die Anrufung des hl. Maternus freigelassener Gefangener in den Türkenkriegen die Ketten, mit denen er gefesselt war, nach Güntersleben gebracht haben soll. Das Ahornblatt und die Weintraube stehen für den Waldreichtum und den seit jeher betriebenen Weinbau in Güntersleben.

Seit dem Jubiläumsjahr 2013 hat Güntersleben – auch hier dem Beispiel anderer Gemeinden folgend – zusätzlich ein mit modernen Stilelementen gestaltetes Logo, das häufig anstelle des Wappens Verwendung findet und dieses damit etwas in den Hintergrund gedrängt hat. Traditionsbewusste Heraldiker sind über diese verbreitete Entwicklung nicht unbedingt glücklich, aber dem Trend der Zeit kann sich kaum jemand widersetzen.

Was eine Amtskette angeht, so hat der ablehnende Beschluss des Gemeinderats von 1955 nach wie vor Bestand. Es ist auch nicht bekannt, dass jemals ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin von Güntersleben Wert darauf gelegt hätte, sich mit einem solchen doch etwas aus der Zeit gefallenen Schmuckstück zu dekorieren.

05/2023