Wie Güntersleben zu Straßennamen und Hausnummern kam

21. März 2023

Wie Güntersleben zu Straßennamen und Hausnummern kam

„Straßennamen, Straßennamensschilder und Hausnummern tragen wesentlich zur Orientierung in der Gemeinde bei.“ Dieser Feststellung des Bayerischen Innenministers in einer Bekanntmachung von 1987 wird niemand widersprechen wollen. Dass jede Straße einen von der Gemeinde festgelegten Namen und jedes Haus eine ebenfalls amtlich vergebene Hausnummer hat, ist für uns heute selbstverständlich. Wie man sich früher, auch als das Dorf noch kleiner war, ohne diese Kennzeichnungen zurechtgefunden hat, können wir uns kaum noch vorstellen.

Die ältesten Straßennamen

Zum ersten Mal begegnen uns in Güntersleben Straßennamen in einem Schatzungsbuch von 1698. Darin sind alle damaligen Anwesen aufgeführt und bei einigen wenigen wird zur Lagebeschreibung ein Straßenname genannt: Die Lange Gasse, aus der später die Langgasse wurde. Der Kühehaug, heute die Neubergstraße. Das Westert, heute die Thüngersheimer Straße, aber im örtlichen Sprachgebrauch immer noch fortlebend. Das Stiegelein, später in Steile Gasse umbenannt, heute die Zehntgasse. Die Bachgasse und eine Wethgasse, die wir heute als Kronengasse und Kirchgasse kennen. Die weiteren Dorfstraßen sind noch ohne Namen und werden einfach als gemeine Gassen, also Gemeindegassen, bezeichnet.

Hausnummern kannte man 1698, als das Schatzungsbuch angelegt wurde, noch nicht. Stattdessen gab man – wie auch bei den Äckern in der Flur – die Besitzer der Nachbargrundstücke an. So lag also das Anwesen des Franz Rothenhöfer in der Ortsmitte „beim Brunn zwischen Nikolaus Vornkeller und Hanns Georg Köhler“ oder der Hof des Nikolaus Lauer „auff dem Kühehaug zwischen Matthes Nadler und gemeinen Gässlein“, womit die heutige Engelsgasse gemeint ist.

Zum ersten Mal Hausnummern

Um 1740 erstellte Pfarrer P. Gerard Molitor ein Häuserbuch für Güntersleben. Beim Aufschlagen des Bandes blickt man auf einen Ortsplan, den ersten überhaupt von Güntersleben, vermutlich vom Verfasser selbst gezeichnet. Neu ist daran auch, dass alle Straßen einen Namen haben. Neben den bereits angeführten gibt es jetzt auch den „Fahrweg nach Veitshöchheim und Würzburg“, der als „Fohrwaag“ auch heute noch von Alteingesessenen verwendet wird, wenn sie von der Würzburger Straße sprechen. Die vordere Rimparer Straße und die Gramschatzer Straße erscheinen als „Untere Straße“ und die heutige Schönbrunnenstraße und die Josef-Weber-Straße als „Obere Straße“, wie sie bis 1963 noch hießen. Die Gassen, die von der Unteren Straße zum Kirchberg hochführen, tragen fortlaufende Nummern von 1 bis 5, die sie bis 1963 behielten, allerdings ohne den Zusatz, den ihnen Molitor gab. Er nannte sie nämlich zur Unterscheidung von der langen Gasse Zwerggassen.

Den bebauten Grundstücken entlang der Dorfstraßen und Gassen gab Molitor – auch das war neu bei ihm – Hausnummern. Den Anfang machte er bei der Mühle unterhalb vom Dorf mit der Nummer 1 und führte die Nummerierung durch alle Straßen bis zur Hausnummer 142 unten an der Langgasse fort. Auch wenn im Laufe der Zeit neue Häuser dazu kamen und damit auch die Zahl der Hausnummern größer wurde, blieb die von Molitor erdachte Abfolge sogar noch bis 1967 die gleiche: Beginn beim Mühlenanwesen, der gleiche Verlauf durch die Straßen und Ende mit der höchsten Hausnummer bei der späteren Kinderbewahranstalt an der Langgasse.

Amtliche Straßennamen

Straßennamen bildeten sich durch den alltäglichen Gebrauch heraus, veränderten sich und wurden in unterschiedlichen Schreibweisen verwendet. Dann aber legte der Gemeinderat mit Beschluss vom 26. November 1927 die Namen der Straßen verbindlich fest. Für die großen aus dem Ort hinausführenden Straßen bestimmte er neue Namen nach der Zielrichtung dieser Straßen. Seitdem – also erst seit 1927 – gibt es die Würzburger Straße, die Thüngersheimer Straße, die Rimparer Straße und die Gramschatzer Straße. Aus dem Stiegelein wurde die Steile Gasse und die von Pfarrer Molitor noch so bezeichneten Zwerggassen waren jetzt nur noch die 1. Gasse bis zur 5. Gasse, wie sie wohl ohnehin im Alltag genannt wurden.

Adolf-Hitler-Straße und Hindenburgplatz

Dem Beispiel anderer Gemeinden folgend und damit den Erwartungen der neuen Machthaber genügend beschloss der Gemeinderat am 26. April 1933, die Gramschatzer Straße von der Ortsmitte bis zur Bachbrücke nach dem Führer und Reichskanzler umzubenennen; sie diente dann als Aufmarschstraße für die uniformierten Gruppen und Fahnenabordnungen zu den Kundgebungen beim Kettenbrunnen. Der bis dahin namenlose Platz erhielt nach dem Reichspräsidenten den Namen Hindenburgplatz. Mit dem Ende des Dritten Reiches war es aber auch damit wieder ganz schnell vorbei. Ohne dass sich der Gemeinderat damit überhaupt befasste, wurde die Adolf-Hitler-Straße wieder zur Gramschatzer Straße. Der Hindenburgplatz ist seitdem wieder offiziell ohne Namen. Wenn aber vom Kettenbrunnen die Rede ist, weiß jeder, dass dieser Platz gemeint ist.

Alte Straßen, neue Namen

Der Gemeinderat befasste sich erst 1963 wieder mit den Straßennamen. Mit der Folge, dass sich viele Ortsbewohner an neue Anschriften gewöhnen mussten. Nicht einmal die Hälfte der Straßen behielt ihren bisherigen Namen. Zu den Änderungen kamen neue Bezeichnungen für Straßen, die bis dahin noch namenlos waren. Seitdem gibt es die Josef-Weber-Straße und die Ignatius-Gropp-Straße, die an frühere Ortspfarrer erinnern. Die Büttnergasse, die Schustergasse und die Klebergasse wurden nach traditionellen Handwerksberufen benannt. Der Laurenziweg bekam seinen Namen nach der ersten Dorfkirche, die dort stand. Auch bei der Klostergasse, dem Ziegelhüttenweg, der Zehntscheune und bei der Brunnengasse ließ man sich von ortsgeschichtlichen Bezügen leiten. Alte Flurnamen fanden Eingang in die Namen der Deisenbergstraße, der Mehlenstraße oder beim Schelmsgraben.

Ungeliebte Straßennamen

Nur wenige Wochen, nachdem auf diese Weise viele Straßen einen neuen Namen bekommen hatten, meldeten sich die Anwohner im Kuhhaug mit einer schriftlichen Eingabe an den Gemeinderat, um auch für ihre Straße eine Umbenennung zu erreichen. Kuhhaug passe mit seinem sprachlichen Bezug zum Bauerndorf nicht mehr in die moderne Zeit. Der Wunsch der Anwohner war dem Gemeinderat wichtiger als die Erhaltung eines der ältesten Straßennamen. Seitdem wohnt man dort in der Neubergstraße. Davon ermutigt meldeten sich einige Zeit später auch die Anwohner der Roßstraße, fanden aber mit ihrem Ansinnen, auch ihrer Straße einen – aus ihrer Sicht – zeitgemäßeren Namen zu geben, beim Gemeinderat kein Gehör.

Auch der Abschied vom Kuhhaug war nicht von Dauer. Als man 1996 für ein vom früheren Kuhhaug abzweigendes neues Straßenstück einen Namen suchte, wurde der abgelegte Name mit einer kleinen Abwandlung reaktiviert. Keiner der dortigen Anwohner scheint Probleme damit zu haben, „Am Kuhhaug“ zu wohnen. Auch Straßennamen bleiben von wechselnden Modetrends nicht verschont.

Von einer Sauecke oder „Säuhecke“, wie man das untere Teilstück der Josef-Weber-Straße im Dorf seit jeher nannte, hat der Gemeinderat bei der Neubenennung der Straße aber von vornherein Abstand genommen. Eine solche Adresse wollte man den Anwohnern nun doch nicht zumuten.

Eigene Hausnummern für jede Straße

Auch nach der Neuverteilung der Straßennamen blieb es 1963 erst noch bei der durchgängigen Nummerierung bei den Hausnummern von der 1 für das frühere Mühlenanwesen bis zur höchsten Nummer für die einstige Kinderbewahranstalt an der Langgasse, die jetzt die 319 war. Allerdings lässt sich daraus nicht ableiten, wie viele Häuser damals in Güntersleben standen. Gab es doch inzwischen immer mehr gesplittete Nummern mit Zusätzen wie a und b oder ergänzt durch Bruchzahlen, die bis zu 1/7 reichen konnten. Tatsächlich belief sich die Zahl der Wohnanwesen in Güntersleben damals schon auf etwa 400.

Um einer weiteren Zersplitterung der Hausnummerierung Einhalt zu gebieten, ging man schließlich 1967 dazu über, jeder Straße gesonderte Hausnummern zuzuweisen. Soweit der Straßenverlauf eine solche Orientierung erkennen lässt, beginnt die Nummerierung jeweils an dem der Ortsmitte nächstgelegenen Ende mit der 1 und setzt sich auf der linken Seite mit den ungeraden und auf der rechten Seite mit den geraden Zahlen fort. Mit dieser heute allgemein üblichen Systematik wird gerade in längeren Straßenzügen die Suche nach einer bestimmten Hausnummer wesentlich erleichtert.

Immer neue Straßennamen

Mit jedem neuen Baugebiet sind in den letzten Jahrzehnten neue Straßen hinzugekommen. Aus den 39 Straßen von 1963 sind mittlerweile 76 geworden. Mit Abstand die größte ist die Thüngersheimer Straße mit einer Länge von über einem Kilometer und 95 Anliegeradressen. Dagegen haben die Anwohner am Laurenziweg, an der Kronengasse und am Nelkenweg eine vergleichsweise exklusive Anschrift, liegt doch an diesen Sträßchen jeweils nur ein einziges Wohnhaus.

03/2023