Hundesteuer für die Armenkasse

30. September 2021

Hundesteuer für die Armenkasse

 Wer sich einen Hund leisten kann, der kann auch etwas für die Armen im Dorf tun. So mögen sich die Günterslebener Dorfoberen gedacht haben, als sie 1843 nach neuen Einnahmequellen für die Armenkasse fahndeten und zu diesem Zweck auch bei uns eine Hundesteuer einführten. Bis ins beginnende 20. Jahrhundert floss diese der Armenkasse zu, aus der die Ortsbewohner unterstützt wurden, denen die notwendigen Mittel für ihren Lebensunterhalt fehlten.

Tatsächlich waren es auch nur wenige Bauern, die sich neben den Nutztieren auf ihrem Hof auch noch den Luxus eines Hundes gönnten. Nur 26 Hundehalter wurden bei der Einführung der Steuer gezählt. Wäre es um den Schutz von Haus und Hof gegangen, als es noch kaum verschlossene Türen und keine nächtliche Beleuchtung gab, hätten es viel mehr sein müssen.

Mit zwölf Kreuzern im Jahr war die Abgabe für einen Hund genauso hoch wie der Betrag, den die Knechte und Mägde von ihrem Jahreslohn an die Armenkasse abführen mussten. Luxus wurde also gleich besteuert wie das Einkommen von Geringverdienern. Drei Laib Brot hätte man sich dafür kaufen können.

Mit der Hundesteuer verhält es sich wie mit der Sektsteuer. Die wurde 1902 zur Finanzierung der deutschen Kriegsflotte eingeführt und besteht bis heute, obwohl ihre Zweckbestimmung längst weggefallen ist. Seit 1912 wurde auch die Hundesteuer in Güntersleben mit einem Gesamtaufkommen von damals 34 Mark nicht mehr der Armenkasse zugeführt. Verzichten auf diese eher unbedeutende Einnahme wollte man aber doch nicht und so landet die Hundesteuer seither im allgemeinen Haushalt der Gemeinde – bis heute.

Bis heute ist die Hundesteuer mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder einmal ein Aufregerthema nicht nur für die Stammtische, sondern auch im Gemeinderat, wo es dazu selten einstimmige Beschlüsse gab. Für die einen kann die Hundesteuer gar nicht hoch genug sein, um das Überhandnehmen dieser Vierbeiner und deren Hinterlassenschaften einzudämmen. Die Hundefreunde auf der anderen Seite können dagegen nicht verstehen, warum ihre Lieblinge anders behandelt werden als zum Beispiel Katzen, die sich zwar bei der Mäusejagd bewähren, aber auch nicht immer angenehme Spuren hinterlassen. Bisher haben sich noch immer die Befürworter der Hundesteuer durchgesetzt.

Zur Geschichte der Hundesteuer gehören von Anbeginn bis heute auch die Zweifel und Mutmaßungen, ob denn auch alle Halter ihrer Meldepflicht nachkommen. Weil bekanntlich Erinnerungen und Drohungen mit Sanktionen im Steuerwesen nicht immer die erhoffte Wirkung erzeugen, sah sich die Gemeinde trotz meist mäßiger Erfolgsquote und noch geringeren finanziellen Ertrags doch immer wieder einmal zu Kontrollen vor Ort veranlasst.

Von einer solchen Razzia zeugt ein „Kataster über die in der Gemeinde Güntersleben vorhandenen Hunde, aufgenommen bei einer Visitation am 3. Januar 1876“. Gerade drei Tage im Amt, machte der neugewählte Bürgermeister Kaspar Öffner, selbst kein Hundebesitzer, die Runde im Dorf, um sich die Hunde vorführen zu lassen. Begleitet wurde er vom Schulmeister als Protokollanten und vom Bezirkstierarzt. Genau 40 Hunde fand die hohe Kommission vor und nach dem Augenschein des Tierarztes waren alle gesund.

Hundekataster

Etwas schwerer taten sich die Herren offenbar mit der Feststellung der Hunderassen. Der Herr Lehrer selbst hatte, wie damals in gehobeneren Kreisen üblich, einen schwarzen Pudel. Sechs Hunde fanden als Spitz Eingang in das Register. Drei Dackel und zwei Pinscher, bekanntlich nicht nur ein Schimpfwort, sondern auch eine Hunderasse, konnten die Herren auch noch eindeutig zuordnen. Dann waren sie mit ihrer Weisheit aber offenbar am Ende. Nachdem ihnen der Begriff Promenadenmischung wohl noch fremd war, erfassten sie die anderen Hunde einfach als Zottel, als Hühnerhunde oder Hofhunde. Bei sechs Hunden trug der Lehrer als Rasse Rattenfänger ein und bei einem der größeren Bauern registrierte er einen schwarzgescheckten Königshund. Vermutlich ein stattliches Tier, vor dem der Lehrer als Besitzer eines mickrigen Pudels anscheinend gehörigen Respekt hatte.

Soviel Mühe machten sich die Amtsnachfolger von Bürgermeister Öffner freilich nicht mehr, um Steuersündern auf die Schliche zu kommen. Einen Beschluss wie den vom 1. Juli 1933 konnte der Gemeinderat aber nur unter den damals vorherrschenden politischen Verhältnissen fassen: „Die rückständigen Hundegebühren sollen rücksichtslos beigetrieben werden. Erfolgt binnen 14 Tagen keine Zahlung, wird vom Tötungsrecht Gebrauch gemacht.“

Derweil wurde die Hundesteuer, wie das öffentliche Abgaben so an sich haben, immer wieder einmal angehoben. Aus den anfangs 12 Kreuzern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg 6 und bald darauf 9 Mark. Nach der letzten Erhöhung von 2012 sind heute in Güntersleben 50 Euro jährlich zu zahlen.

Die schon 1920 im Gemeinderat geäußerte Befürchtung, dass durch Steuererhöhungen der Hundebestand dezimiert und als Folge die Sicherheit im Dorf leiden könne, hat sich weder in der einen noch in der anderen Weise bestätigt. Während andere Haustiere, denen man früher im Dorf auf Schritt und Tritt begegnete, wie Pferde, Kühe, Gänse, Hühner, ganz oder bis auf wenige Exemplare verschwunden sind, hat sich die Zahl der Hunde von etwa 60 im Jahr 1920 bis heute nahezu vervierfacht.

So werden wohl auch künftig die Hunde als Alleinstellungsmerkmal für sich in Anspruch nehmen können, als einziges Haustier besteuert zu werden. Dafür können sie oder besser ihre Herrchen und Frauchen seit kurzem aber auch einen exklusiven Service in Anspruch nehmen. Mit der Aufstellung von Hundeklos an den wichtigsten Übergängen zu den Flurstraßen hat Güntersleben jetzt als jüngste Errungenschaft auch öffentliche Toilettenanlagen. Sie sind ein Angebot und zugleich eine Aufforderung an alle, die auf den Hund gekommen sind, einem permanenten Ärgernis die Spitze zu nehmen. Und viele Spaziergänger und die Besitzer ortsnaher Grundstücke freuen sich, wenn sie nicht mehr allerorten mit den ärgerlichen Tretminen rechnen müssen.

09/2021