Warnung vor Geschäften mit der Ehefrau
Am 3. Juli 1947 war der Gemeindediener im Auftrag des Bürgermeisters mit der Ortsschelle auf den Straßen von Güntersleben unterwegs, um die folgende Erklärung eines namentlich genannten Mannes aus Heidingsfeld bekanntzugeben, der mit seiner Frau in Scheidung lebte:
„Wer meiner davongelaufenen Ehefrau Marga Sch…. aus Heidingsfeld, z. Zt. wohnhaft in Güntersleben, etwas leiht, borgt, ihr Unterkunft gewährt, dem komme ich in keinerlei Entschädigung oder Zahlung nach. Zur allgemeinen Warnung bitte ich um größte Vorsicht in sämtlichem Umgang.“ Die Erklärung wurde mit diesem Wortlaut auch an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen.
Tags darauf erhielt der Bürgermeister ein geharnischtes Schreiben eines Rechtsanwalts. Der Inhalt dieser Bekanntmachung sei eine fortgesetzte Beleidigung der Ehefrau und komme einer öffentlichen Anprangerung gleich. Er lege keinen Wert darauf, den Bürgermeister selbst in ein strafgerichtliches Verfahren zu verwickeln. Vielmehr müsse er aber umso größeren Wert darauf legen, dass auch der Standpunkt seiner Mandantin veröffentlicht werde. Er verlangte daher vom Bürgermeister, dass an der Gemeindetafel neben den Aushang des Ehemannes auch eine Erklärung der Ehefrau angeschlagen werde, in der unter anderem stehen müsse:
„Wie Herr Rechtsanwalt … mitteilt, ist die Ehefrau Sch… ihrem Manne keinesfalls davongelaufen, noch hat sie bisher leichtfertig auf Kosten ihres Mannes Schulden gemacht. Die Ehefrau Sch… wurde durch die dauernden Misshandlungen des Ehemannes Sch… gezwungen, die eheliche Wohnung zu verlassen…“
Man darf davon ausgehen, dass der Bürgermeister dem Verlangen nachkam, um „weitere gerichtliche Maßnahmen“ abzuwenden, die der Rechtsanwalt ansonsten schon vorsorglich ankündigte. Ob das aber wirklich dazu beitrug, den ramponierten Ruf der Frau wiederherzustellen?
08/2022