Wasser nicht nutzlos vergeuden
„Es ist Gewissenssache jeden Wassergastes, das gebotene Wasser nicht nutzlos zu vergeuden“. Lässt man die nicht mehr ganz zeitgemäße Ausdrucksweise außer Acht, klingt die Mahnung sehr aktuell. Tatsächlich stammt das Zitat aus der Wasserabgabe-Ordnung der Gemeinde Güntersleben vom 27. November 1909, die sie kurz nach der Inbetriebnahme der zentralen Wasserleitungsanlage erließ. Da wirkten offenbar noch die Erfahrungen aus den vorangehenden Jahren nach, als man das Wasser noch aus den Dorfbrunnen beitragen musste, die nicht immer genügend hergaben.
Wasser aus der Leitung, warum sparen?
Tatsächlich sah man erst einmal keinen Anlass, zum Wassersparen anzuhalten. Das Wasser, das aus der neu erschlossenen Quelle beim alten Laurenzibrunnen in den ebenfalls neu gebauten Hochbehälter auf der Platte – im Volksmund das Wasserreservoir – gepumpt und von dort in das Leitungsnetz verteilt wurde, reichte allemal für die damals 1400 Einwohner. Bezahlen musste man nicht nach dem Verbrauch. Vielmehr wurden die Familien nach der Anzahl der Personen und entsprechend ihrer Einstufung bei den Gemeindesteuern veranlagt. Beim Wasser zu sparen, zahlte sich daher für sie auch finanziell nicht aus.
Anzeichen, dass das Trinkwasser einmal knapp werden könnte, sah man noch lange Zeit nicht. So erklärte sich der Gemeinderat 1925 auf eine entsprechende Anfrage sogar bereit, auch noch Gadheim, Schleehof und den Ortsteil Schafhof in Oberdürrbach mit Wasser zu versorgen. Dazu kam es dann, vermutlich wegen der langen Leitungswege, doch nicht.
Wenn das Wasser nicht mehr ankommt, wo es gebraucht wird.
Als 1938 die ersten Probleme mit der Versorgung auftraten, lag das nicht an der zu geringen Schüttung der Quellen oder am übermäßigen Verbrauch. Wohl nicht zu Unrecht vermutete man, dass die mittlerweile nicht mehr ganz neuen Leitungen aus Gußeisen an immer mehr Stellen schadhaft waren und dadurch viel Wasser auf dem Weg bis zu den Häusern der Dorfbewohner im Boden versickerte. Ehe man dazu kam, etwas dagegen zu unternehmen, kam der Krieg und wie vieles andere wurde auch der Kraftstoff rationiert, so dass die Pumpen des Wasserwerks nur noch eingeschränkt in Gang gesetzt werden konnten. Im Juni 1943 verbot daher der Bürgermeister für die weitere Dauer des Krieges, die Gärten mit Schläuchen zu gießen. Und er fügte, wie bei Anordnungen zu dieser Zeit üblich, noch hinzu, dass Zuwiderhandlungen „unnachsichtig“ zur Anzeige gebracht würden.
Schulbad ohne Wasser
Die Probleme mit hohen Wasserverlusten durch marode Leitungen sollten die Gemeinde noch jahrzehntelang beschäftigen. Nach dem Ende des Krieges kam hinzu, dass mit dem sprunghaften Anstieg der Einwohnerzahl durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Evakuierten auch der Wasserverbrauch entsprechend stieg.
1950 baute die Gemeinde, nur zwei Jahre nach der Geldentwertung durch die Währungsreform, eine neue Schule, was zu Recht bis heute als mutige und zukunftweisende Entscheidung gilt. Kaum noch bekannt ist, dass in den Plänen auch ein Bad, genauer gesagt Räumlichkeiten für Reinigungsbäder für die Schule und die Bevölkerung vorgesehen waren. Solche gab es damals, soweit bekannt, noch nirgendwo auf den Dörfern der Umgebung. Vorrang hatte freilich erst einmal die Fertigstellung der Unterrichtsräume, die 1951 bezogen werden konnten. Als dann aber nach längeren Verhandlungen die Regierung im Frühjahr 1954 einen Zuschuss für das Bad in Aussicht stellte, wurden die beiden örtlichen Spenglereien „mit der sofortigen Lieferung von drei Einbaubadewannen und einer Brauseeinrichtung beauftragt.“ Damit werde, wie die MainPost schrieb, „in circa vier Wochen das von jung und alt lang ersehnte Bad fertigstellt.“
Die kurze Bauzeit wurde auch eingehalten. Doch dann zögerte man mit der Freigabe, und das aus gutem Grund. Im April 1954 beschloss der Gemeinderat noch, das Bad solle nach den Osterferien in Betrieb genommen werden. Im Juni teilte der Bürgermeister dann in einer weiteren Gemeinderatssitzung mit, dass der Badebetrieb für die Einwohnerschaft „wegen des bestehenden Wassermangels“ vorläufig zurückgestellt werden müsse. Das ganze folgende Jahr konnte das Bad nur von der Schule genutzt werden.
Als im April 1955 das Bad dann auch zur allgemeinen Nutzung freigegeben wurde, hatte sich das Thema mittlerweile schon weitgehend von selbst erledigt. Der halbe Tag in der Woche für eine Badegebühr von 50 Pfennigen wurde kaum genutzt. Denn in mehr und mehr Wohnhäusern wurden im Zuge des Baubooms der 1950er Jahre jetzt auch Badezimmer eingerichtet. Nach einigen Jahren nahezu nutzlosen Daseins wurden die Badewannen in der Schule ausgebaut und an Interessenten verkauft.
Waschmaschinen, Spülklosetts und Badewannen als Wasserverschwender
Derweil beschäftigte das Thema Wassermangel weiter den Gemeinderat und die Einwohnerschaft, die unter den wiederkehrenden Beschränkungen für Brauchwasser litt. Immer mehr drängte sich dabei auch das Thema Gebührengerechtigkeit in den Vordergrund. Denn nach wie vor gab es keine Wasseruhren und der Verbrauch wurde pauschal abgerechnet. Auf einer Bürgerversammlung im Dezember 1953 wurde daher nach einem Bericht der MainPost gefordert, „daß die Besitzer einer Badewanne und eines Spülklosetts einen besonderen Zuschlag zu entrichten hätten“.
Noch Jahre später vertrat der Wasserwart der Gemeinde den Standpunkt, dass bei der Benutzung einer Badewanne ein Wasserstand von 10 Zentimetern für eine ordentliche Körperpflege voll ausreichend sei. Alles darüber hinaus sei pure Wasserverschwendung.
Die Suche nach Möglichkeiten, den Wasserverbrauch einzudämmen, näherte sich immer mehr der Erkenntnis, dass letztlich nur der Weg über den Geldbeutel der Verbraucher weiterführen würde, trieb bis dahin noch mancherlei Blüten. Im Januar 1955 diskutierte der Gemeinderat darüber, „daß hierorts verschiedene Waschmaschinen vorhanden sind, die mit Wasser getrieben werden“. Der daraufhin gefasste Beschluss, dass sich deren Besitzer Wasseruhren einbauen lassen müssten, wurde aber gleich in der nächsten Sitzung wieder ausgesetzt.
Wenn es eng wurde, behalf man sich weiter mit Verboten, die nicht nur „das sinnlose Spritzen der Gärten bei der größten Hitze“ ins Visier nahmen. Auch beim Kühlen der Getränke, für die man frisches Wasser aus der Leitung verwendete, solange man noch keinen Kühlschrank im Haushalt hatte, sollte sich die Bevölkerung einschränken, wie im Juni 1957 die MainPost schrieb. Dass manche stolze Autobesitzer ihre neuen Gefährte oft wöchentlich einer ausgiebigen Wäsche unterzogen, war für die vielen, die sich noch kein Auto leisten konnten, ein besonderes Ärgernis.
Wasseruhren helfen sparen
Am 1. Oktober 1959 war es dann endlich so weit, dass die Wassergebühren nach dem Verbrauch abgerechnet werden konnten. Schon 1935 hatte sich bei einer Bürgerversammlung die Mehrheit der Teilnehmer für die Einführung von Wasseruhren ausgesprochen. Im Gemeinderat überwogen aber die Bedenken, die vor allem von den dort vertretenen Landwirten, also den Abnehmern mit dem größten Verbrauch, vorgetragen wurden. Obwohl die Hinweise auf die große Belastung für die Gemeinde durch die Anschaffung und auf die angeblich kurze Lebensdauer der Messeinrichtungen nicht wirklich überzeugend waren, rückte schließlich auch der Bürgermeister von seinem Vorhaben ab. Mehr als 20 Jahre mit immer wieder aufflackernden Diskussionen und nahezu immer gleichen Einwänden gingen ins Land, bis sich schließlich der Gemeinderat zur Anschaffung und zum Einbau von Wasseruhren durchrang.
Zum Start der Wasseruhren setzte der Gemeinderat den Wasserpreis auf 0,30 DM je Kubikmeter fest – und erlebte eine Überraschung. Es wurde weit weniger Wasser verbraucht als bis dahin angenommen. Es gab Familien, bei denen die Uhr nicht einmal einen Kubikmeter im Monat anzeigte. Die Möglichkeit, nach dem Einbau der Wasseruhren durch sparsamen Verbrauch auch Geld zu sparen, hatte offenbar einen größeren Effekt als alle vorangegangenen Sparappelle. Freilich musste auch die Gemeinde auf ihre Kosten kommen. Daher erhöhte der Gemeinderat schon ein Vierteljahr nach Inbetriebnahme der Wasseruhren den Wasserpreis auf 0,40 DM und ein Jahr später gleich noch einmal auf 0,50 DM für den Kubikmeter. Dann stimmte die Kasse wieder.
Von der Eigenversorgung zum Fernwasser
Die Erfassung des Wasserverbrauchs über Wasseruhren und der dadurch bedingte sparsamere Umgang mit dem kostbaren Nass beruhigte die Situation für einige Jahre. Mit den 1970er Jahren waren dann aber die alten Probleme wieder da. Die gestiegene Einwohnerzahl, der höhere Wohnkomfort mit Bädern und Duschen im Haus und wohl auch zunehmende Wasserverluste durch das angejahrte Leitungsnetz machten immer wieder Entnahmebeschränkungen notwendig, vor allem bei der Gartenbewässerung.
Als Bohrversuche beim Wasserwerk am Laurenziweg keinen Erfolg brachten, blieb schließlich keine andere Wahl mehr als der Anschluss an die Fernwasserversorgung. Seit 4. August 1975 kommt das Wasser aus den Leitungen in Güntersleben nicht mehr aus dem Gemeindebrunnen, sondern vom Zweckverband Fernwasserversorgung Mittelmain.
Es gilt weiter: Nicht vergeuden
Seit dem Anschluss an das Fernwasser hat sich das Thema Wassermangel erledigt, jedenfalls vor Ort. Sparen ist aber weiter angesagt. Vordergründig schon wegen der Kosten. Für den Endverbraucher kostete das Fernwasser zu Anfang doppelt so viel wie zuletzt das Wasser aus der eigenen Anlage der Gemeinde. Mittlerweile ist der Preis schon auf das Zehnfache gestiegen, und dabei wird es nicht bleiben. Das Wassergeld bildet daher einen nicht mehr zu vernachlässigenden Posten in der Haushaltskasse und es lohnt sich mehr denn je, sorgfältig mit dem Trinkwasser umzugehen.
Ein wesentlicher Grund, warum das Fernwasser gleich beim Umstieg um so viel teurer war als das eigene Wasser, waren die nach wie vor hohen Verluste durch Leitungsschäden. Denn anders als bei ihrem eigenen Wasser muss die Gemeinde jetzt die gesamte Menge bezahlen, die der Zweckverband liefert, egal wieviel davon an den Zapfstellen in den Häusern ankommt. In manchen Jahren verschwand ein Drittel des Wassers auf dem Weg von der Übergabestelle bis zu den Verbrauchsstellen im Boden. Seit 1990 wird daher das Leitungsnetz in der Ortschaft kontinuierlich auf Leckstellen überwacht. Dadurch konnte die vorher bezogene Jahresmenge von 240.000 Kubikmetern trotz gestiegener Einwohnerzahl auf 190.000 Kubikmeter und weniger gesenkt werden. Ein erheblicher Sparbeitrag und ein ebenso erheblicher Beitrag zur Trinkwasserschonung. Dazu beigetragen hat auch das Förderprogramm der Gemeinde für private Regenwasserzisternen, das seit 1992 läuft. Nach den bisher ausgegebenen Förderbescheiden wurden damit mehrere Hunderte Zisternen mit einem Fassungsvermögen von insgesamt über 3.500 Kubikmetern geschaffen. Geht man davon aus, dass sich die Zisternen, je nach Witterung, mehrmals im Jahr neu mit gesammeltem Regenwasser füllen, wird auch dadurch der Bedarf an Trinkwasser spürbar reduziert.
Dass wir weiter mit steigenden Preisen für das Trinkwasser rechnen müssen, hat vor allem auch damit zu tun, dass es auch für den Lieferanten des Fernwassers immer schwieriger wird, genügend geeignetes Trinkwasser im Nahbereich zu erschließen. Die Folge sind weitere Transportwege und ein immer höherer Aufwand für die Wasseraufbereitung mit entsprechend steigenden Kosten.
Für uns alle als Verbraucher umso mehr ein Grund, beim Griff zum Wasserhahn daran zu denken: Trinkwasser ist ein kostbares und zunehmend kostspieliges Gut.
07/2024