Bauplatz für ein Monatsgehalt

13. Januar 2024

Bauplatz für ein Monatsgehalt

Denkt heute eine junge Familie an den Bau eines eigenen Hauses, dann bilden oft schon der Erwerb und die Finanzierung eines geeigneten Bauplatzes eine schwer überwindbare Hürde. Bauland ist zu einem raren und teuren Gut geworden. Nicht selten und durchaus zu Recht wird im Blick auf die Entwicklung der Baulandpreise von einer Kostenexplosion gesprochen und es werden Preissteigerungen von 50.000 und mehr Prozent seit 1950 genannt. In vergleichbarer Weise trifft das auch für Güntersleben zu.

Bauplätze in der Siedlung

Um die drückende Wohnungsnot zu lindern, ging die Gemeinde schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs daran, Bauplätze für eine sogenannte Siedlung im Anschluss an die bestehende Bebauung an der heutigen Ringstraße zu schaffen. Sie kaufte dort Ackerland auf und verkaufte die daraus gebildeten Bauparzellen an Bauinteressenten aus dem Ort. Die 15 Häuslesbauer, die auf diese Weise zwischen 1949 und 1953 zu einem Bauplatz kamen, hatten dafür einen Quadratmeterpreis von 0,50 bis 0,80 DM und damit je nach Größe des Grundstücks zwischen 200 und 500 DM (nach heutiger Währung 100 bis 250 Euro) zu zahlen. Das entsprach etwa dem, was ein Arbeiter im Monat verdiente. Da ein Zufahrtsweg zunächst allenfalls notdürftig hergerichtet wurde, eine öffentliche Kanalisation noch fehlte und für die Wasserleitung nur ein geringer Kostenbeitrag verlangt wurde, war auch die Belastung mit Erschließungskosten ausgesprochen niedrig. Damit waren auch Geringverdiener unter Verzicht auf übertriebene Ansprüche und mit den damals üblichen eigenen Arbeitsleistungen in der Lage, ohne finanzielle Überforderung zu einem Familienheim zu kommen, selbst wenn sie wenige Jahre nach der Währungsreform von 1948 kaum über Rücklagen verfügten.

Günstiger Baugrund

Gebaut wurde in den Jahrzehnten nach dem Zeiten Weltkrieg nicht nur auf den von der Gemeinde bereitgestellten Siedlungsgrundstücken, sondern an vielen Stellen rings um das Dorf auf angrenzenden familieneigenen Grundstücken. Wer ein solches jedoch nicht hatte, musste für den Erwerb eines Bauplatzes dann mit der Zeit schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Wenn die Quadratmeterpreise bis 1960 auf 2 DM stiegen und sich bis 1965 auf etwa 4 DM nochmals verdoppelten, so waren Bauplätze aber auch da noch bei einem Durchschnittseinkommen erschwinglich. Der Anstieg lag zwar über der Entwicklung des Lohnniveaus im gleichen Zeitraum, so dass man für den Kauf eines Bauplatzes jetzt schon etwas länger arbeiten musste. Aber mit allenfalls zwei Monatseinkommen waren die 2.000 bis 3.000 DM (entsprechend 1.000 bis 1.500 Euro) für den Erwerb eines Bauplatzes noch zu finanzieren.

Beschleunigter Preisanstieg

Bei der Neuordnung der Günterslebener Gemarkung durch die Flurbereinigung wurden 1966 rings um das Dorf etwa 600 auf Bauplatzgröße zugeschnittene Parzellen gebildet, die für eine künftige Bebauung vorgesehen waren. Die allermeisten davon wurden privaten Eigentümern zugeteilt, die entsprechende Flächen in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht hatten. Der Gemeinde wurden neben einigen Bauplätzen dabei vor allem auch schon die Trassen für die künftigen Erschließungsstraßen zugewiesen. Damit waren gute Voraussetzungen geschaffen, nachfolgend einen Bereich nach dem anderen als Baugebiet auszuweisen.

Etwa zur gleichen Zeit wurde Güntersleben in das Öffentliche Nahverkehrssystem der Würzburger Straßenbahn einbezogen. Damit war die Stadt um vieles besser erreichbar als bei der bisherigen Anbindung durch privat betriebene Omnibusse. Güntersleben wurde als Wohnort attraktiver. Das belebte die Nachfrage nach Bauplätzen. Und eine größere Nachfrage führt bekanntlich zu höheren Preisen.

Was folgte, war ein sprunghafter Anstieg der Preise für Bauland in Güntersleben, die sich seitdem von der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppelten. 1969 musste man für den Quadratmeter schon 12 DM zahlen und seit 1974 war kein Bauplatz mehr unter 30 DM (16 Euro) je Quadratmeter zu bekommen.

Preisbremse Sozialgebiet

Als die Baulandpreise immer weiter anstiegen, versuchte die Gemeinde gegenzusteuern, um auch Ortsbewohnern mit einem durchschnittlichen Einkommen noch den Erwerb eines Bauplatzes zu ermöglichen. Am Kerlach hatte sie bei der Flurbereinigung größere Flächen geringwertigen Ackerlandes günstig erhalten, die an die mittlerweile erfolgte Bebauung am Kräuterberg angrenzten. Diese nutzte die Gemeinde, um ein sogenanntes Sozialgebiet auszuweisen, also ein Baugebiet, in dem sie Baugrundstücke deutlich unter dem aktuellen Marktpreis zum Kauf an Bauwillige anbot.

In den Genuss dieses vorteilhaften Angebots kam nur, wer schon mehrere Jahre am Ort wohnte, kein eigenes Haus besaß, keinen Bauplatz aus Familienbesitz zu erhoffen hatte und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritt. Die annähernd 40 Bauplätze verkaufte die Gemeinde zwischen 1980 und 1990 zu einem Quadratmeterpreis von 40 und später 50 DM (umgerechnet ca. 20 bzw. 25 Euro). Damit konnten sich ebenso viele ortsansässige, vorwiegend junge Familien ein Eigenheim bauen, die ansonsten kaum in der Lage gewesen wären, den Baugrund dafür zu erwerben. Denn außerhalb dieses Programms musste man dafür um diese Zeit dafür doppelt so viel oder noch mehr zahlen.

Die kommunale Baulandpolitik der jüngsten Zeit

Die Idee und die Realisierung des Baugebiets am Kerlach war unter sozialpolitischen Gesichtspunkten ungeachtet einiger unschöner Begleiterscheinungen eine wegweisende und für die Ortsentwicklung bedeutsame Weichenstellung. Allerdings blieb es bei dieser einmaligen Aktion, die keine Wiederholung fand. Als in der jüngeren Vergangenheit auf der Platte wiederum ein Baugebiet auf gemeindeeigenen, von der Flurbereinigung gegen ein minimales Entgelt überlassenen Flächen ausgewiesen wurde, spielten derartige Überlegungen wie seinerzeit beim Sozialgebiet Kerlach im Gemeinderat keine Rolle.

Die Gemeinde verkaufte die Bauplätze nach einem Losverfahren an beliebige Interessenten für 180, später 190 Euro; darin war ein Kostenanteil von etwa 40 Euro für die Straßenerschließung inbegriffen. Bei der Preisgestaltung orientierte sich die Gemeinde damit in etwa an dem Niveau, das nach 2010 auf dem privaten Grundstücksmarkt hierorts üblich war, inzwischen aber in Einzelfällen schon wieder deutlich überschritten wird.

Zu einer spürbaren Verteuerung von Baugrund haben in jüngster Zeit zudem die zusätzlich zum reinen Bodenpreis anfallenden Erschließungskosten beigetragen. Waren vor 25 Jahren noch 10 bis 20 Euro je Quadratmeter Bauland für die Herstellung der Straße zu zahlen, so bewegen sich die entsprechenden Kosten für neue Straßenbauten inzwischen im Bereich von 100 Euro.

Längst vorbei die Zeit, in der man einen Bauplatz für ein Monatsgehalt kaufen konnte. Heute muss man dafür ein Jahr und mehr arbeiten.

01/2024